Foto: Baum wächst auf Münzgeld, vor grünem Hintergrund
Standpunkt

Kommunalhaushalte in Zeiten von Nachhaltigkeit

Nachhaltige Entwicklung in Kommunen muss die Haushaltswirtschaft mit einschließen. Die sozial-ökologische Transformation wird ohne gezieltere Steuerung der Haushaltsmittel und Finanzierungsströme kaum gelingen. Kommunen sind dabei auf Partner angewiesen.

Die an Nachhaltigkeitszielen orientierte Transformation der Kommunen ist eine zentrale Herausforderung der kommenden Jahre. Gerade das Querschnittsthema Klimawandel als Treiber dieses grundlegenden Umstrukturierungsprozesses wirkt sich auf alle Lebensbereiche der Menschen sowie die Infrastrukturen der öffentlichen Daseinsvorsorge aus: Haben die Kommunen ihre Fachverwaltungen und Prozesse bisher eher vorsichtig angepasst, so verlangt die sozial-ökologische Transformation heute radikale Strukturveränderungen. Denn glokale Megatrends wie Klimawandel oder Digitalisierung lassen sich nicht wie bisher in einer hierarchischen Aufbauorganisation bewältigen. Eine neue „Governance der Nachhaltigkeitstransformation“ ist gefragt. Kommunen müssen sich organisieren, vernetzter denken und agieren, neue Steuerungswerkzeuge nutzen und die Akteur*innen der Stadt einbeziehen. Ob ihnen das gelingt, ist nicht nur eine Frage des politischen Willens und entsprechender Mehrheiten. Steuerung und Management dieser an Nachhaltigkeitszielen orientierten Transformation müssen auch durch Budgets hinterlegt und mit geeigneten haushalterischen Instrumenten flankiert werden. Nur so lassen sich nachhaltige Wirkungen entfalten, die darüber entscheiden, inwieweit Deutschland die Nachhaltigkeitswende und den Klimawandel bewältigen wird.

Leitplanken für Nachhaltigkeitsaktivitäten der Kommunen: die Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen

Die Aufgabe wird nicht leichter, da sich viele Kommunen seit Jahren in einer haushalterischen und personellen Mangelsituation befinden. Deutschlands Kommunen waren jedoch schon immer experimentierfreudig. Daher haben sich viele trotz limitierender Randbedingungen auf die Suche nach Lösungen gemacht. Die Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen mit dem Indikatorensystem der „SDG-Indikatoren für Kommunen“ in Deutschland erweisen sich dabei als Innovationstreiber: Sie liefern Ziele und Indikatoren, die als Leitplanken für sämtliche Nachhaltigkeitsaktivitäten der Kommunen in unterschiedlichsten Handlungsfeldern dienen. Ihre Anwendbarkeit wird auch in verschiedenen Bereichen der Kommunalfinanzen erprobt. Dies ist nur folgerichtig. Denn die Haushalte der Kommunen bilden ihr zentrales Steuerungsinstrument. Es kann und sollte daher gezielt für die Governance der Nachhaltigkeitstransformation genutzt werden. Derzeit zeigen sich vorwiegend drei Reformbereiche, die auf den SDGs aufbauen: „Nachhaltigkeitshaushalte“, „Nachhaltigkeitsrenditen“ und das Thema „Sustainable Finance“.

Momentan wird oft über „Nachhaltigkeitshaushalte“ diskutiert. Diese wurden vornehmlich von der Landesarbeitsgemeinschaft Agenda 21 (LAG21) entwickelt und meist mit Städten in Nordrhein-Westfalen erprobt und fortgeschrieben. Dazu zählen Köln, Bonn, Lüdenscheid, Detmold, Jüchen und der Landkreis Unna. Nachhaltigkeitshaushalte sind eine Form der wirkungsorientierten Haushalts- und Verwaltungssteuerung. Sie sollen die Verteilung kommunaler Finanzressourcen an Nachhaltigkeitszielen ausrichten. Der Ablauf ähnelt der klassischen wirkungsorientierten Steuerung in der Doppik: Ziele sowie Kennzahlen werden in Produktgruppen bzw. Produkten des Haushalts verankert und regelmäßig wird über die Zielerreichung berichtet. So sollen der Nachhaltigkeitsgedanke Bestandteil des Haushaltskreislaufs werden und öffentliche Gelder gezielter als bisher in nachhaltige Projekte geleitet werden. Auch wenn die Kommunen mit der wirkungsorientierten Steuerung in den letzten zwanzig Jahren eher gemischte Erfahrungen gesammelt haben, so stimmt der Blick auf das neue Instrumentarium der Nachhaltigkeitshaushalte optimistisch, da die Erarbeitung meist im Rahmen eines fachübergreifenden Strategie- und Dialogprozesses erfolgt, in den auch Stakeholder der Stadtgesellschaft mit einbezogen werden. Das sichert Akzeptanz.

Neben dem Nachhaltigkeitshaushalt ist auch die noch in der Konzeptionierungsphase befindliche „Nachhaltigkeitsrendite“ zu nennen. Das Difu entwickelt zurzeit mit acht Partnerkommunen und der NRW.Bank ein Modell, mit dem sich Szenarien-basiert ermitteln lässt, wie haushalterische Aufwendungen für transformationsrelvante Investitionen auf die Nachhaltigkeitsziele einzahlen. Das Modell stützt sich auf theoretisch fundierte Rendite-Ideen, die in unterschiedlichen Kontexten der Stadtentwicklung bereits erarbeitet wurden und hier erstmalig für eine nachhaltige Stadtentwicklung adaptiert werden. Dabei wird unter einer Nachhaltigkeitsrendite – im Gegensatz zur finanzwirtschaftlichen Rendite – eine mehrdimensionale Größe verstanden, die die Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales berücksichtigt. Für einzelne investive „Transformationsbedarfe“ erfolgt damit auf Basis einer indexbasierten Bewertung eine Abschätzung von Kosten und Nutzen im Sinne der SDG-Zielerreichung. Geprüft wird, ob so zusätzlich eine Monetarisierung der betrachteten Investitionsalternativen möglich sein kann. Das Instrument der Nachhaltigkeitsrendite soll Kommunen und Kämmereien dabei unterstützen, in einen fundierten Diskurs mit Fachverwaltungen einzutreten, um vorausschauende Investitionen zu tätigen, die sich auch im Sinne der Nachhaltigkeit über den Lebenszyklus hinweg rentieren.

Auch Kämmereien sollten sich auf ein standardisiertes Nachhaltigkeitsreporting einstellen

Haushalterische Nachhaltigkeit ist für Kommunen auch aus einem anderen Grund wichtig: Die EU hat 2019 mit der Taxonomie einen Prozess initiiert, der sich ebenfalls an den SDGs orientiert und momentan vor allem privatwirtschaftliche Akteure adressiert. In den kommenden Jahren wird sie auch die Finanz- und Haushaltswirtschaft von Kommunen und öffentlichen Unternehmen beeinflussen. Auch die Bundesregierung betonte in ihrer Sustainable-Finance-Strategie, dass „Bundesländer, Kommunen und insbesondere auch die öffentlich-rechtlichen Finanzunternehmen eine hohe Bedeutung im deutschen Finanzsystem haben“ und deshalb wichtig seien, „um das Ziel zu erreichen, ein führender Sustainable Finance-Standort zu werden“. Mit der EU-Taxonomie wurde ein umfangreiches Klassifikations- und Kriteriensystem für sechs Umweltziele entwickelt, mit dem sich bestimmen lässt, zu welchem Grad wirtschaftliche Aktivitäten ökologisch nachhaltig sind. Die Sustainable-Finance-Taxonomie soll als Hebel für eine grundlegende Neuausrichtung der Kapitalmärkte dienen – hin zu einer vorrangigen Finanzierung ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltiger Transformationsmaßnahmen. Aufgrund neuer Berichts- und Nachweispflichten soll es so allen Marktakteuren möglich werden, grüne Investments zu erkennen. Derzeit steht der Prozess zur Neuausrichtung des Kreditmarkts unter Sustainable-Finance-Gesichtspunkten am Anfang. Den SDGs kommt dabei vor allem eine implizite Bedeutung als normativer Referenzrahmen zu. Auch wenn die Kommunen mit ihren Haushalten noch nicht unmittelbar unter die Taxonomie fallen, zeichnet sich dies jedoch perspektivisch ab. So erwarten die Landes- und Förderbanken als Hausbanken, dass die Preisbildung im kommunalen Kreditgeschäft eine Spreizung zwischen „grünen“ und „braunen" Krediten erfahren wird, da die Konditionen den neuen Rahmenbedingungen folgen werden. Zudem müssen auch die Banken offenlegen, inwieweit ihre Kreditvergabe Taxonomie-konform ist. Insofern dürfte ein standardisiertes Nachhaltigkeitsreporting auch für die Kommunalhaushalte künftig unumgänglich werden. Gerade die SDGs für Kommunen könnten dabei wichtig werden.

Die drei hier skizzierten Wege zeigen, dass nachhaltige Entwicklung von Kommunen den Bereich der Haushaltswirtschaft einschließen muss. Deshalb denken immer mehr Kommunen selbst so eng regulierte Prozesse wie das Haushalts- und Finanzwesen neu. Städte und Gemeinden benötigen auf diesem Weg allerdings Unterstützung – nicht nur aus der Forschung, auch von Ländern, Kommunalaufsichtsbehörden sowie Landes- und Förderbanken. Nur gemeinsam lässt sich ein verbindliches Steuerungsinstrumentarium proaktiv entwickeln. Fest steht, dass die sozial-ökologische Transformation ohne eine gezieltere Steuerung öffentlicher Haushaltsmittel und Finanzierungsströme auf breiter Front kaum gelingen dürfte. 

Vorabveröffentlichung des im Difu-Magazin Berichte 3/2022 erscheinenden Textes