Neu Maß nehmen! Zukunftsperspektiven der Vormundschaft
Aktuelle Beiträge zur Kinder- und Jugendhilfe, Bd. 107, 2017, DINA4, deutsch, 122 S.
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Inhalt
Zahlreiche Fachkräfte der öffentlichen und freien Kinder- und Jugendhilfe, Familienrichter/innen und Rechts-pfleger/innen waren nach Berlin gekommen, um strategische und fachliche Fragen und Aspekte der Vormundschaft praxisnah zu diskutieren, u.a.:
- Was sind die vier Säulen der Vormundschaft und wie unterscheiden sie sich?
- Welche Qualifikations- und Aufgabenprofile gibt es: z.B. Juristische Vertretungsaufgaben – Personensorge, mehr Pädagogik in die Vormundschaft, mehr juristische Kompetenzen?
- Welche personalpolitischen Fragen sind zu klären: Multiprofessionelle Teams für Vormünder?, Eingruppierung, Personalbereitstellung,
- Kooperation AV-ASD: Sollte die Amtsvormundschaft eine eigenständige Abteilung im Jugendamt sein, besteht Rollenklarheit, gibt es Reflexion zwischen den Abteilungen?
- Welche (neuen) Beschwerdemöglichkeiten für Kinder und Jugendliche gibt es?
- Was kann aus der Bewältigung der Krise mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (UMF) für die Vormundschaft gelernt werden?
- Welche Unterstützungsnetzwerke gibt es? Wie können ehrenamtliche Vormünder (besser) gefördert werden?
Vormundschaft gestern und heute
Henriette Katzenstein vom Deutschen Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e. V. (DIJuF) bilanzierte, dass seit Einführung des Gesetzes zur Änderung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts 2011 die Fallzahlen flächendeckend gesunken seien, Vormünder kontinuierlichere und häufigere Kontakte zu ihren Mündeln hätten und deren Zielen, Haltungen und deren Beteiligung mehr Beachtung schenken würden. Für die "Weiterreise" formulierte sie Anforderungen, wie z. B. weitere konzeptionelle Überlegungen zur Kompetenzverteilung im Team oder zu gegenseitiger Beratung und Vernetzung.
Vormundschaft zwischen rechtlicher Vertretung und pädagogischer Verantwortung
Prof. em. Dr. Hans-Jürgen Schimke veranschaulichte die Anforderungen an eine rechtliche Vertretung des Vormunds anhand eines Fallbeispiels und machte deutlich, wo die Vertretungsmacht des Vormunds ihre Grenze erreicht. Die rechtliche Vertretung beinhalte, den Willen des Kindes so weit wie möglich zu respektieren. Dies setze eine pädagogische Intervention voraus. Horst Hütten, Fachbereich Kinder, Jugend und Schule der Stadt Aachen, beleuchtete diese pädagogische Verantwortung des Vormunds genauer. Er benannte gesetzliche Grundlagen und die Bereiche, um die sich ein Vormund kümmern muss.
Das Recht auf einen kontinuierlichen Vormund
Prof. Dr. Karsten Laudien, Evangelische Hochschule Berlin, begründete anhand von Erkenntnissen aus Sozialwissenschaften, Sozialisationstheorien und der Philosophie, warum das Recht auf einen Vormund präzisiert werden müsste in ein Recht auf einen kontinuierlichen Vormund. Er stellte drei pädagogische Aspekte der Kontinuität vor, die ein Vormund berücksichtigen müsse: Kontinuität im gegenwärtigen Lebenskontext des Mündels, Kontinuität im Bezug zu den Ursprungseltern sowie Kontinuität der Beziehung Mündel-Vormund.
Zukunftsperspektiven der Vormundschaft
Andrea Böke, Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, stellte die Reformpläne des Ministeriums vor und ging dabei hauptsächlich auf den Diskussionsteilentwurf zur Reform des Vormundschaftsrechts (vom August 2016) ein, der von drei Leitlinien getragen wird:
- Stärkung der Personensorge des Vormunds,
- Stärkung der personellen Ressourcen für eine persönlich geführte Vormundschaft,
- Verbesserung der Auswahl des für das Mündel am besten geeigneten Vormunds.
Das Fazit der Tagung lautet: Die Vormundschaft ist in Bewegung, sie befindet sich zwischen einer "kleinen" und einer "großen" Reform und ihre und unsere Reise geht weiter, mit dem Ziel, dass die Vormundschaften (besser) zu den Kindern passen.
Aus dem Inhalt
Eröffnung und fachliche Einführung
JUTTA OPITZ-RÖHER, Dresden
Wie weit ist das Feld? Strategische Fragen und Aspekte zur Vormundschaft
HENRIETTE KATZENSTEIN, Stv. Fachliche Leiterin, Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e. V. (DIJuF), Heidelberg
Vormundschaft zwischen rechtlicher Vertretung und "Kümmern ums Kind"
Die rechtliche Vertretung
PROF. EM. DR. HANS-JÜRGEN SCHIMKE, Münster
"Kümmern ums Kind"
HORST HÜTTEN, Teamleiter, Fachbereich Kinder, Jugend und Schule der Stadt Aachen
Was brauchen Kinder von ihrem Vormund?
Was hat mein Vormund für mich erreicht?
ALEXANDRA DOLL, Referentin, Careleaver Deutschland e. V., Hildesheim
Kontinuität und Lebensbegleitung von Mündeln
PROF. DR. KARSTEN LAUDIEN, Evangelische Hochschule Berlin/DIH – Deutsches Institut für Heimerziehungsforschung gGmbH
Diskussion im Plenum zur Berücksichtigung des Kindeswillens
mit
PROF. EM. DR. HANS-JÜRGEN SCHIMKE und PROF. DR. KARSTEN LAUDIEN
Zukunftsperspektiven der Vormundschaft – Perspektiven für die rechtlichen Grundlagen
ANDREA BÖKE, Referentin, Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Berlin
Die Vormundschaft erreicht was! Unter welchen Voraussetzungen? Arbeitsgruppen
- Arbeitsgruppe "Altersgemäße Beteiligung bei der Gestaltung der Vormundschaft"
WOLFGANG RÜTING, Kreisjugendamt Warendorf, Erster Vorsitzender des ISA e. V., Münster - Arbeitsgruppe "Kinder in schwierigen Lebenslagen und Vormundschaft"
BERND MIX, Jugendamt der Stadt Ibbenbüren; Stellv. Vorsitzender des DIJuF, Heidelberg - Arbeitsgruppe "Careleaver: 18 und dann?"
ALEXANDRA DOLL und RUTH SEYBOLDT, Careleaver Deutschland e. V., Hildesheim - Arbeitsgruppe "Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge: Vormundschaft und nachhaltige Integration"
MARION NILGENS-MASUCH, Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI), Hamburg - Arbeitsgruppe "Ehrenamtliche Vormünder erfolgreich gewinnen und ‚behalten‘"
HANS-WERNER PÜTZ, Landschaftsverband Rheinland, Landesjugendamt Rheinland, Köln - Arbeitsgruppe "Herstellung einer ‚Passung‘ zwischen Vormund und Kind sowie Auswahl und Bestellung des Vormunds"
STEFANIE BEUTNER, Amtsgericht Hamburg-Wandsbek
REINHARD PRENZLOW, Berufsverband der Verfahrensbeistände, Ergänzungspfleger und Berufsvormünder für Kinder und Jugendliche - BVEB - e. V., Berlin
Literaturhinweise