Das aktive Jugendamt im familiengerichtlichen Verfahren
Aktuelle Beiträge zur Kinder- und Jugendhilfe, Bd. 74, 2010, DINA4, deutsch, 156 S.
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Inhalt
"Man kann nur etwas ändern, wenn man wertschätzend miteinander umgeht. Das spricht auch die Kollegen an, die sich fragen, wie sie den scheinbar unwilligen Richter mit an den Tisch bekommen. Sagen Sie ihm einfach, dass Sie ihn brauchen! Manche kommen vielleicht trotzdem nicht, aber die Chance ist größer und es braucht nun einmal Zeit. Auch die Wiedervereinigung ist noch nicht in 20 Jahren abgeschlossen. Wir werden hoffentlich nicht so lange brauchen."
(Susanne Lehmann, Richterin am Amtsgericht Bückeburg, Podiumsdiskussion)
Über das neue FamFG
Die im Titel genannte Fachtagung fand am 01./02. Oktober 2009 in Kooperation mit dem Deutschen Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e.V. Heidelberg in Berlin statt und bewegte sich rund um das neue FamFG.
Anliegen der Tagung war es, die "Philosophie", die Möglichkeiten und Grenzen des neuen Rechts, das einen Rahmen für Konfliktlösungsmöglichkeiten im familien-gerichtlichen Verfahren schaffen soll, vorzustellen. Dabei wurden insbesondere die Schnittstellen zur Kinder- und Jugendhilfe, die aktivere Rolle des Jugendamtes und die damit verbundenen Handlungsschritte der verschiedenen Akteure diskutiert.
Wenn es um das Kindeswohl geht …
Der Wiener Psychoanalytiker und Erziehungsberater Dr. Helmuth Figdor sprach in seinem Beitrag darüber, was Familien in der Krise, insbesondere in Trennungs- und Scheidungssituationen, brauchen und wie Berater helfen können, Lösungen zu finden, die gleichzeitig auch die Entwicklungsinteressen des Kindes sichern.
Ministerialrat Dr. Christian Meyer-Seitz, Leiter des Referates Zivilprozess im Bundesministerium der Justiz (BMJ) in Berlin stellte die neuen Regelungen des familiengerichtlichen Verfahrens nach dem FamFG im Plenum vor. Seinen Vortrag leitete er mit den Worten ein, dass wir uns eine aufwändige Tatsachenermittlung in jedem Zivilprozess leisten, in dem es um 600 Euro Streitwert geht, und wir uns nicht mit weniger zuverlässigen Mitteln zur Wahrheitsfindung begnügen sollten, wenn es um das Wohl eines Kindes geht. Es sei ein Paradoxon, das ein Rechtsstreit um 1.000 Euro wichtiger sei und mehr Aufwand kosten dürfe als ein Streit um das Kindeswohl. Daher stelle die Reform eine klare Stärkung der Kinderrechte dar. Er verwies in seinem Vortrag u.a. darauf, dass bei der Gesetzesformulierung viele Anteile aus dem so genannten Cochemer Modell eingeflossen sind und erstmals das Aufgabenprofil des Verfahrensbeistands gesetzlich geklärt worden ist.
In verschiedenen Rollen gemeinsam zum Ziel
Über neue Anforderungen an die Kooperation von Familiengericht und Jugendhilfe: Aufgabenklärung und Rollenverständnis referierten Winfried Flemming, Referent in der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung Berlin und Gregor Profitlich, Richter am Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg, Berlin.
Sie waren sich einig, dass das FamFG von den Familiengerichten eine grundsätzliche Umstellung auf eine prozesshafte Arbeitsweise verlange. Neu an den Verfahrensregeln sei eine frühe staatliche Intervention, die eine enge Kooperation von Jugendamt und Familiengericht erfordere, dies sei zunächst aber ein "Kulturschock für das Familiengericht". Die Fachkräfte der All-gemeinen Sozialpädagogischen Dienste der Jugendämter seien nun im Familiengerichtsverfahren Verhandlungspartner auf Augenhöhe, dazu gehöre auch eine aktive Einmischung in Sach- und Verfahrensfragen für die Sache des Kindes und bedeute eine verstärkte Übernahme von Verantwortung.
Aus dem Inhalt
Eröffnung
KERSTIN LANDUA, Leiterin der Arbeitsgruppe Fachtagungen Jugendhilfe im Deutschen Institut für Urbanistik,
DR. THOMAS MEYSEN, Fachlicher Leiter, Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e.V. (DIJuF), Heidelberg
Fachvorträge
Was brauchen Familien in der Krise? Was brauchen Familien an der Schwelle zur Fremdbestimmung durch das Familiengericht? Was brauchen Familien in Trennungs- und Scheidungssituationen? Welche Hilfen können Institutionen zur Konfliktlösung geben? Wer hört das Kind (an)?
DR. HELMUTH FIGDOR, Psychoanalytiker, Kinderpsychotherapeut und Erziehungsberater, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Psychoanalytische Pädagogik, Dozent am Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien
Das familiengerichtliche Verfahren nach dem FamFG
MINISTERIALRAT DR. CHRISTIAN MEYER-SEITZ, Leiter des Referates Zivilprozess im Bundesministerium der Justiz (BMJ), Berlin
Neue Anforderungen an die Kooperation von Familiengericht und Jugendhilfe: Aufgabenklärung und Rollenverständnis
WINFRIED FLEMMING, Referent bei der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung, Berlin; GREGOR PROFITLICH, Richter am Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg, Berlin
Mitwirkungsmöglichkeiten des Jugendamtes im Verfahren: Rechtliche Grundlagen und fachliche Standards bei Kindeswohlgefährdung, bei Trennung und Scheidung und bei häuslicher Gewalt
DR. THOMAS MEYSEN, DIJuF, Heidelberg
Foren: Das Gesetz zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls (KiWoMaG): Erste Erfahrungen und Fragen aus der Praxis
- Forum 1: Erörterung der Kindeswohlgefährdung
- Aus Sicht des Jugendamtes
JOHANNES SCHMITT-ALTHAUS, Leiter der Abteilung Familie und Jugend 1, Jugendamt Stuttgart - Aus Sicht des Familiengerichts
MICHAEL GRABOW, Richter am Amtsgericht Pankow-Weißensee, Berlin
- Aus Sicht des Jugendamtes
- Forum 2: Der frühe erste Termin bei Trennung und Scheidung
- Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Justiz. Die Warendorfer Praxis
WOLFGANG RÜTING, Leiter des Amtes für Kinder, Jugendliche und Familien des Kreises Warendorf - Das Hannoversche Modell
KATHRIN WESSELS, Richterin am Amtsgericht Hannover
- Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Justiz. Die Warendorfer Praxis
- Forum 3: Anforderungen an Jugendamt, Gericht (und Polizei) im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt
- Aus Sicht des Jugendamtes
DR. SUSANNE HEYNEN, Leiterin des Jugendamtes Karlsruhe - Aus Sicht des Familiengerichts
SABINE HEINKE, Familienrichterin, Aufsichtsführende Richterin am Amtsgericht - Familiengericht Bremen
- Aus Sicht des Jugendamtes
Statements: Die weiteren Akteure im familiengerichtlichen Verfahren
- Statement "Umgangspflegschaft"
BIRGIT BÜCHNER, Juristin und Sozialpädagogin, Geschäftsführerin des Vereins Anwalt des Kindes e.V., Leiterin der Koordinierungsstelle Verfahrensbeistandschaften, München - Regeln für die Arbeit des Verfahrensbeistands – Positionen der BAG Verfahrensbeistandschaft
REINHARD PRENZLOW, Verfahrensbeistand und Berufsvormund, Stellvertretender Vorstandsvorsitzender der BAG Verfahrensbeistandschaft/Interessenvertretung für Kinder und Jugendliche e.V., Hannover - Statement "Erziehungsberatung"
MATTHIAS WEBER, Dipl.-Psychologe, Erziehungs-, Ehe-, Familien- und Lebensberater und Psychotherapeut, Melsbach
Podiumsdiskussion: "Zusammen aktiv?" Was muss ich in meinem Arbeitsbereich konkret ändern?
Es diskutieren:
SUSANNE LEHMANN, Richterin, Amtsgericht Bückeburg,
BEATE SCHIFFER, Leiterin des Fachbereichs Jugend und Soziales, Heiligenhaus, Vorstandsmitglied DIJuF e.V.,
MATTHIAS WEBER, Melsbach,
Moderation:
DR. THOMAS MEYSEN, DIJuF, Heidelberg
Literaturhinweise