Sicherheit in der Stadt
Heftverantwortlicher: Paul von Kodolitsch
Deutsche Zeitschrift für Kommunalwissenschaften (DfK), Bd. 1, 2003, deutsch, 129 S., Deutsches Institut für Urbanistik 2003
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Inhalt
Im Brennpunkt
- Walter Siebel und Jan Wehrheim
Sicherheit und urbane Öffentlichkeit - Dietrich Oberwittler
Die Entwicklung von Kriminalität und Kriminalitätsfurcht in Deutschland - Konsequenzen für die Kriminalitätsprävention - Britta Bannenberg
Strategien wirkungsorientierter Kriminalprävention - Werner Leonhardt
Integrierte kommunale Sicherheitspolitik Handlungsfelder und Organisation - Erfahrungen einer Großstadt - Silke Pies und Christian Schrapper
Jugendkriminalität - Fakten, Probleme und Herausforderungen für kommunales Handeln
Im Blickfeld
- Olaf Winkel
Bürgerkommune und New Public Managementin der kommunalen Selbstverwaltung
Rezensionen
- Thomas Hart, Stefan Friedrichs, Oliver Schmidt (Hrsg.): E-Government. Effizient verwalten - demokratisch regierenRezensent: Busso Grabow
- Olaf Schnur: Lokales Sozialkapital für die "soziale Stadt" - PolitischeGeographien sozialer Quartiersentwicklung am Beispiel Berlin-MoabitRezensentin: Bettina Reimann
Walter Siebel und Jan Wehrheim: Sicherheit und urbane Öffentlichkeit
Zusammenfassung: Über die Stadt sind immer Verfallsgeschichten erzählt worden: im 19. Jahrhundert die vom Verfall von Sitte und Ordnung in der modernen Großstadt, im 20. Jahrhundert die von der Zerstörung des Urbanen durch den funktionalistischen Städtebau, heute die vom Verlust des öffentlichen Raums. In diesem Beitrag wird die These vertreten, dass zwar Verschiebungen in den Sphären der Öffentlichkeit und Privatheit stattfinden, daraus aber nicht ohne weiteres auf einen Verfall dieser für die europäische Stadt konstitutiven Polarität geschlossen werden kann. Die These wird erläutert anhand der Einführung neuer Überwachungssysteme in den Städten. Dabei wird argumentiert, dass diese die grundlegenden Verunsicherungen und Ambivalenzen, die mit öffentlichem Raum verbunden sind, gar nicht auflösen können. Es werden vielmehr Ängste, die aus sozialer und ökonomischer Verunsicherung resultieren, in den öffentlichen Raum projiziert, was dort zu überschießenden Kontrollen führen kann, die in der Tat die Öffentlichkeit urbaner Räume beeinträchtigen würden.
Dietrich Oberwittler: Die Entwicklung von Kriminalität und Kriminalitätsfurcht in Deutschland - Konsequenzen für die Kriminalprävention
Zusammenfassung: Der Beitrag stellt kriminologische Erkenntnisse vor: über aktuelle Trends der Kriminalitätsentwicklung und über die Entwicklung des subjektiven Sicherheitsempfindens in Deutschland. Trotz eines Anstiegs der registrierten Jugendgewalt, der teilweise Ergebnis eines geänderten Anzeigeverhaltens ist, erscheinen diese Entwicklungen insgesamt als positiv. Die räumliche Perspektive lässt erkennen, dass Problemschwerpunkte in den Großstädten liegen, dass jedoch die Kriminalitätsfurcht weniger durch die "objektive" Kriminalitätslage als vielmehr durch soziale Problemlagen im Wohnquartier beeinflusst wird. Vor diesem Hintergrund werden Konsequenzen dieser Erkenntnisse für die Kriminalprävention erörtert, deutlich wird aber auch die Notwendigkeit empirischer Evaluationen der Wirksamkeit kriminalpräventiver Maßnahmen.
Britta Bannenberg: Strategien wirkungsorientierter Kriminalprävention
Zusammenfassung: Die Verhinderung von Straftaten ist besser als ihre Bestrafung. Wie aber verhindert man Gewalt in der Schule, Überfälle auf Straßen, Wohnungseinbruch, Sachbeschädigungen und andere Straftaten? Ob es sinnvoll ist, Videoüberwachungen einzusetzen und Anti-Gewalt-Programme an Schulen umzusetzen, was Städte und Kommunen unternehmen können, um die "richtigen" Programme zu fördern, wird zu wenig wissenschaftlich hinterfragt. Die Wirkungsforschung ist wenig entwickelt, und Kommunen und Institutionen, die zu Recht fragen, in welche präventiven Aktivitäten sie angesichts der enormen Vielfalt kriminalpräventiver Projekte investieren sollen, wird wenig Orientierung geboten. Trotzdem ist es nach dem "Düsseldorfer Gutachten" möglich, Leitlinien für angewandte Kriminalprävention zu erstellen. Zu unterscheiden ist zwischen spezifischer und unspezifischer Kriminalprävention. Bei der unspezifischen Kriminalprävention geht es um die Förderung struktureller gesellschaftlicher Basisbedingungen. Hier ist festzuhalten, dass solche allgemeinen Maßnahmen (z.B. das gesetzliche Verbot der Kindesmisshandlung) wichtig sind, aber als Maßnahmen der Kriminalprävention im komplexen Sozialisationsgeschehen nicht zu isolieren sind. Spezifische Kriminalprävention zielt auf Kriminalitätsrisiken, speziell auf gefährdete Kinder und Jugendliche in Familie, Vorschule, Kindergarten, Kommune und Schule. Rückfallverhindernde Maßnahmen richten sich an Menschen, die bereits durch Straftaten aufgefallen sind. Effektive Kriminalprävention zeichnet sich bei Interventionen ab, die sich unmittelbar gegen das strafbare Verhalten richten und möglichst früh, intensiv und umfassend bei Multi-Problem-Fällen ansetzen oder auf die Behandlung bestimmter Auffälligkeiten setzen. Interventionsprogramme richten sich dabei unmittelbar gegen das strafbare Verhalten auf der Basis von Normverdeutlichung und sozialer Kontrolle. Soziale Integrationsprogramme sollten möglichst früh im Kindesalter ansetzen und Risikofaktoren für delinquentes Verhalten vermindern. Intervention und Integration setzen im Kernbereich der Sozialisation an: in Familie, Schule, Freizeitbereich und Wohnumgebung. Den Gedanken der Wiedergutmachung, Verantwortungs-übernahme und Opferunterstützung kommt wesentliche Bedeutung zu.
Werner Leonhardt: Integrierte kommunale SicherheitspolitikHandlungsfelder und Organisation - Erfahrungen einer Großstadt
Zusammenfassung: Der Grundstein für den in Düsseldorf erreichten Sicherheitsstandard wurde durch eine konsequente Vernetzung von Prävention und Repression - und zwar unter Einbeziehung der im Sicherheits- und Ordnungsbereich aktiven Institutionen/Organi-sa-tio-nen - gelegt. Eine Optimierung ist inzwischen dadurch eingeleitet, dass in mehreren Aufgabenbereichen (z.B. Stadt- und Verkehrsplanung) die Berücksichtigung von Sicherheitsaspekten als Querschnittsaufgabe organisiert ist und nicht mehr nur als Nebenprodukt der kommunalen Aufgabenerledigung angesehen wird. Die Einrichtung einer Stabsstelle erscheint am ehesten geeignet, diesen Gedanken, der letztlich die Unterordnung aller kommunal steuerbaren Handlungen im "Konzern Stadt" beinhaltet, konsequent weiterzuführen. Darüber hinaus wäre der Erfolg präventiver Bemühungen vorprogrammiert, wenn es gelänge, eine informelle Sozialkontrolle, etwa durch eine Verstärkung vorhandener Nachbarschaftsprojekte, umfassender als bisher zu etablieren.
Silke Pies und Christian Schrapper: Jugendkriminalität - Fakten, Probleme und Herausforderungen für kommunales Handeln
Zusammenfassung: Trotz einer deutlichen Zunahme der Zahl tatverdächtiger junger Menschen in den letzten Jahren besteht kein Grund zur Dramatisierung der Lage. Auch für die Bedrohung durch Jugendkriminalität gilt, dass die "subjektiven Bedrohungsgefühle" vieler Bürger und Politiker und die "objektive Bedrohungslage" oft wenig zusammenpassen. Aber es besteht auch keine Berechtigung zu bagatellisieren: Kriminelles Handeln junger Menschen ist ein ernst zu nehmender Indikator für Probleme, vor allem im Blick auf die Lebensumstände und Zukunftsaussichten derjenigen Menschen, die Straftaten begehen. Jedoch erfordern "komplizierte Probleme komplexe Lösungen". Dies sollte ein Kernmotiv kommunaler Strategien gegen Jugendkriminalität sein, denn es gibt keine einfachen Erklärungen, die dem Phänomen Jugendkriminalität in seiner Vielschichtigkeit gerecht werden, und es gibt leider auch keine einfachen Lösungen. Orientierungspunkte für eine erfolgreiche kommunale "Kriminalprävention" sind: Infrastruktur und Regeleinrichtungen stärken, individuelle Belastungen und Krisen als Warnsignale verstehen, besondere Förderung für belastete Gebiete und Gruppen bereitstellen, für angemessene und zeitnahe Sanktionen sorgen, eine aufgeklärte politische Kultur und verbindliche Kooperationen der Systeme Bildung, Jugendhilfe und Polizei/Justiz herstellen.
Olaf Winkel: Bürgerkommune und New Public Management in der kommunalen Selbstverwaltung
Zusammenfassung: Die Probleme einer am Neuen Steuerungsmodell (NSM) orientierten Verwaltungsmodernisierung sind in den letzten Jahren unübersehbar zu Tage getreten. Sie werden inzwischen vermehrt zum Anlass genommen, das NSM mit dem Leitbild der Bürgerkommune zu verknüpfen. Allerdings stellen sich auch die Ergebnisse der um diese Komponente erweiterten Reformbestrebungen zumeist alles andere als überzeugend dar. Die Gründe für diesen Befund werden in der vorliegenden Arbeit aus einer quasi systemtheoretischen Perspektive beleuchtet, nach der die politische und die ökonomische Logik einerseits als unverzichtbare und komplementäre, andererseits aber auch als in einem Spannungsverhältnis zueinander stehende soziale Handlungsmaximen angesehen werden können. In der Untersuchung wird deutlich, dass das Konzept der Bürgerkommune nicht ohne weiteres herangezogen werden kann, um einem in Turbulenzen geratenen Modernisierungsprozess nach dem NSM neuen Halt zu geben.
Die Autorinnen und Autoren dieses Hefts
Prof. Dr. Britta Bannenberg, Universität Bielefeld, Kriminologie, Strafverfahrensrecht und Strafrecht, Postfach 10 01 31, 33501 Bielefeld, E-Mail: britta [dot] bannenberg [at] uni-bielefeld [dot] de (britta[dot]bannenberg[at]uni-bielefeld[dot]de)
Dr. rer. pol. Busso Grabow, Deutsches Institut für Urbanistik (Difu), Berlin, Arbeitsbereich Wirtschaft und Finanzen, Straße des 17. Juni 112, 10623 Berlin, E-Mail: grabow [at] difu [dot] de (grabow[at]difu[dot]de)
Dr. Paul von Kodolitsch, Deutsches Institut für Urbanistik (Difu), Berlin, Arbeitsbereich Fortbildung, Straße des 17. Juni 112, 10623 Berlin, E-Mail: kodolitsch [at] difu [dot] de (kodolitsch[at]difu[dot]de)
Werner Leonhardt, Beigeordneter, Landeshauptstadt Düsseldorf, 40200 Düsseldorf, E-Mail: werner [dot] leonhardt [at] stadt [dot] duesseldorf [dot] de (werner[dot]leonhardt[at]stadt[dot]duesseldorf[dot]de)
Dr. phil. Dietrich Oberwittler, Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht, Günterstalstr. 73, 79100 Freiburg i.Br., E-Mail: d [dot] oberwittler [at] iuscrim [dot] mpg [dot] de (d[dot]oberwittler[at]iuscrim[dot]mpg[dot]de)
Dr. rer. soc. Bettina Reimann, Deutsches Institut für Urbanistik (Difu), Berlin, Arbeitsbereich Stadtentwicklung und Recht, Straße des 17. Juni 112, 10623 Berlin, E-Mail: reimann [at] difu [dot] de (reimann[at]difu[dot]de)
Prof. Dr. Christian Schrapper, Universität Koblenz-Landau, Rheinau 1, 56075 Koblenz, E-Mail: schrappe [at] uni-koblenz [dot] de (schrappe[at]uni-koblenz[dot]de)
Prof. Dr. Walter Siebel, Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg, Institut für Soziologie, AG Stadtforschung, 26111 Oldenburg, E-Mail: walter [dot] siebel [at] uni-oldenburg [dot] de (walter[dot]siebel[at]uni-oldenburg[dot]de)
Dipl.-Päd. Silke Spies, Universität Koblenz-Landau, Rheinau 1, 56075 Koblenz, E-Mail: spies [at] uni-koblenz [dot] de (spies[at]uni-koblenz[dot]de)
Dr. Jan Wehrheim, Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg, Institut für Soziologie, AG Stadtforschung, 26111 Oldenburg, E-Mail: jan [dot] wehrheim [at] uni-oldenburg [dot] de (jan[dot]wehrheim[at]uni-oldenburg[dot]de)
PD Dr. Olaf Winkel, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Institut für Politikwissenschaft, Scharnhorststraße/Platz der Weißen Rose 100, 48151 Münster, E-Mail: Olaf [dot] Winkel [at] fhu [dot] verwalt-berlin [dot] de (Olaf[dot]Winkel[at]fhu[dot]verwalt-berlin[dot]de)