Aktuelle Beiträge zur Kinder- und Jugendhilfe,

"... und schuld ist im Ernstfall das Jugendamt"

Probleme und Risiken sozialpädagogischer Entscheidungen bei Kindeswohlgefährdung zwischen fachlicher Notwendigkeit und strafrechtlicher Ahndung

Inhalt

1998 und 1999 haben mehrere Fälle, in denen Kinder durch ihre Familie vernachlässigt, mißhandelt worden oder verhungert sind, hohe Wellen geschlagen -häufig hatte das Jugendamt Kontakt zu den betroffenen Familien.

Nicht selten wurde, auch in den Medien, die Frage aufgeworfen, ob die zuständigen Fachkräfte der Jugendämter nichts, zu wenig oder das Falsche unternommen haben, um Schaden von den betroffenen Kindern abzuwenden.

Gerichtsverfahren in mehreren Städten gingen der Frage nach, ob sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Jugendämtern dabei nicht sogar wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassung strafbar gemacht haben. Diese Verfahren haben bei vielen Fachkräften sozialer Dienste Verunsicherungen ausgelöst. (vgl. Wiesner, R., S. 7)

Im Mittelpunkt der Fachtagung des Vereins für Kommunalwissenschaften e.V. stand deshalb die Garantenpflicht des Jugendamtes für das Kindeswohl und damit auch die Frage nach dem Verhältnis von Sozialarbeit und Strafrecht. In diesem Kontext wurde darüber diskutiert:

  • Welche strafrechtlichen Pflichten haben pädagogische Fachkräfte bei der Ausübung ihrer Tätigkeit?
  • Wann sind sie strafrechtlich verantwortlich für ihr Tun oder Unterlassen?
  • Unter welchen Voraussetzungen zwingt sie das Strafrecht zum Tätigwerden?

Die Arbeitsgruppen setzten sich mit den Möglichkeiten einer offensiven Öffentlichkeitsarbeit, den Voraussetzungen und Bedingungen für eine Zusammenarbeit der Jugendämter mit freien Trägern, Justiz und Polizei sowie den Kooperationsmöglichkeiten mit Kinderärzten, Schulen und Kindereinrichtungen auseinander.

Im Verlauf der Fachtagung wurde festgestellt, daß der wirkungsvollste Schutz vor strafrechtlicher Verfolgung die fachliche Qualifizierung der zuständigen MitarbeiterInnen und eine umfassende, nachvollziehbare und übersichtliche Dokumentation der "Fälle" ist und intensiv darüber diskutiert, wie beides gewährleistet werden kann.

Die Dokumentation richtet sich an leitende Fachkräfte der öffentlichen und freien Jugendhilfe sowie an MitarbeiterInnen Sozialer Dienste.

Aus dem Inhalt:

Einführungsreferate:

  • Zur Garantenpflicht des Jugendamtes in Fällen der Kindeswohlgefährdung

    Ministerialrat Dr. Reinhard Wiesner, Leiter der Arbeitsgruppe Kinder- und Jugendhilfe, Kinder- und Jugendhilferecht und Tageseinrichtungen im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Bonn
  • Kommunikation und Kooperation - Anforderungen an die Arbeitsweise des Allgemeinen Sozialen Dienstes im Kontext der Kindeswohlgefährdung

    Dr. Reinhold Schone, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Sozialpädagogik der Technischen Universität Berlin
  • Bericht: Wenn der Ernstfall eintritt ... Ein "Fall" aus Stuttgart

    Petra Hörner, Persönliche Mitarbeiterin des Leiters des Jugendamtes der Landeshauptstadt Stuttgart

Berichte der Arbeitsgruppen zu den Themen:

  • AG 1: Prinzipien des fachlichen Handelns bei Gefahr für das Kindeswohl und Anforderungen an die Zusammenarbeit der Fachbereiche im Jugendamt zur Gewährleistung kompetenter und fachlich gesicherter Entscheidungen in Fällen familialer Gewalt gegen Kinder bzw. elterlichen Versagens - Möglichkeiten einer offensiven Öffentlichkeitsarbeit von:

    Susanne Poller, Außenstellenleiterin der Abteilung Soziale Dienste des Jugendamtes der Landeshauptstadt Düsseldorf und Wolfgang Ruthemeier, Abschnittsleiter Sozialer Dienst des Fachbereiches für Kinder, Jugendliche und Familien der Stadt Osnabrück
  • AG 2: Voraussetzungen, Bedingungen und Reglement für die Zusammenarbeit der Jugendämter mit Diensten und Einrichtungen in freier Trägerschaft im Vorfeld von Entscheidungen und in der Fallbegleitung von:

    Renate Blum-Maurice, Fachleiterin des Kinderschutz-Zentrums des Deutschen Kinderschutzbundes Köln und Petra Hörner, Persönliche Mitarbeiterin des Leiters des Jugendamtes der Landeshauptstadt Stuttgart
  • AG 3: Voraussetzungen, Bedingungen und Reglement und gegebenenfalls Grenzen der Kooperation des Jugendamtes mit Justiz und Polizei von:

    Christa Möhler, Pädagogische Mitarbeiterin in der Sozialpädagogischen Fortbildungsstätte Haus Koserstraße, Senatsverwaltung Berlin und Ilona Köhler, Leiterin des Allgemeinen Sozialen Dienstes des Jugendamtes der Landeshauptstadt Potsdam
  • AG 4: Voraussetzungen, Bedingungen und Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit Ärzten, Schulen und Kindereinrichtungen von:

    Helga Schmidt-Nieraese, Leiterin des Allgemeinen Sozialen Dienstes des Jugendamtes der Stadt Mannheim

Offene Abschlussdiskussion: Dilemma oder Herausforderung? Positionen der Tagung zum Umgang mit den Risiken sozialpädagogischen Handelns bei familialer Gewalt gegen Kinder und Kindesvernachlässigung

Moderation: Thomas Mörsberger, Leiter des Landesjugendamtes Baden, Karlsruhe

Arbeitsgruppe Fachtagungen Jugendhilfe (AGFJ) (Hrsg.)

Aktuelle Beiträge zur Kinder- und Jugendhilfe, Bd. 17, 1999, deutsch, 110 S., Deutsches Institut für Urbanistik 1999

ISBN: 978-931418-21-2
Printausgabe vergriffen

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