Informationen zur modernen Stadtgeschichte (IMS),

Stadt und Verkehr

Cover der Publikation

Informationen zur modernen Stadtgeschichte (IMS), Bd. 1, 1997, 90 S., Deutsches Institut für Urbanistik 1997

Inhalt

Wer zur Stoßzeit auf der Stadtautobahn nur meterweise vorwärts kommt oder sich mit letzter Mühe in eine überfüllte U-Bahn hineinquetscht, könnte meinen, das Thema "Stadt und Verkehr" werde wegen solcher aktuellen Probleme von Historikern zu einem Schwerpunkt ihrer Tätigkeit ausgerufen. Dem ist jedoch nicht so. Begreifen wir freilich die weltweite Entwicklung der Städte zu Zentren von Macht, Dienstleistungen und Arbeit und verstehen wir den in den Städten stattfindenden Verkehr als charakteristischen Ausdruck individueller wie kollektiver Mobilität, als ein Signum der Moderne, dann macht das Schweigen der Geschichtswissenschaft auf diesem Gebiet stutzig.

Dieses Heft der IMS geht dieser Frage in einem Essay von Wilfried Reininghaus nach. Er sieht für die mangelnde Präsenz unseres Themas im Bewußtsein der Historiker mehrere Gründe:

  1. Stadtgeschichte war lange eine Domäne verfassungsgeschichtlich ausgerichteter Studien. Die Historiker konzentrierten sich auf das hohe und späte Mittelalter und sahen die Neuzeit als Verfallszeit städtischer Autonomie an. Die Städte der Moderne blieben Gegenwartswissenschaften wie der Soziologie vorbehalten. Erst die Abkehr von der dominierenden Politikgeschichte und vom Historismus und die stärkere Hinwendung zur Sozialund Wirtschaftsgeschichte in den 60er Jahren erhob auch die Städte des Industriezeitalters zu einem lohnenden Sujet.
  2. Obwohl man seither eine gewisse Konjunktur der modernen Stadtgeschichte konstatieren kann, vermißt man im Strauß der einzelnen Themenbereiche das Stichwort "Verkehr". Eine Erklärung dafür ist, daß das Interesse der Forschung lange noch mehr auf das 19. als auf das 20. Jahrhundert fixiert war, also einem Zeitraum galt, in dem die Verkehrsinfrastruktur scheinbar noch nicht zum Problemfall geworden war.
  3. Eine weitere Ursache liegt im Fehlen einer eigenständigen Disziplin Verkehrsgeschichte, ausgewiesen durch Lehrstühle oder andere Formen der Institutionalisierung. Verkehrsgeschichte schwebt indifferent in einem Niemandsland zwischen Nationalökonomie, Technik- und sektoraler Wirtschaftsgeschichte. Deutschland unterscheidet sich hierin vor allem von den angelsächsischen Ländern, in denen "Transport History" ein anerkanntes Fach ist. In Deutschland dagegen gibt es eine Verkehrswissenschaft, die sich zwar erfolgreich auf dem Felde der Politikberatung etabliert hat, die sich für die historischen Entwicklungslinien ihres Forschungsgegenstandes jedoch kaum interessiert.
  4. Städtische Verkehrsentwicklung ist auch Technikgeschichte. Eine Technikgeschichte des Verkehrs muß wie jede andere Ausformung von Technik den fast unmöglichen Spagat zwischen technisch interessierten Historikern und historisch interessierten Naturwissenschaftlern leisten. Äußerungen von Historikern zum Verkehr sind zwar oft in irgendeiner Form technikgeschichtlich angereichert, im Prinzip jedoch wirtschafts- und sozialgeschichtlich ausgerichtet.
  5. Eine Morphologie der verkehrsgeschichtlichen Arbeiten der letzten Jahrzehnte läßt inzwischen die Ausrichtung auf einzelne Verkehrsträger wie Eisenbahn, Automobil, Fahrrad, Straßenbahn, Binnenschiff und Flugzeug erkennen. Was fehlt, ist eine Synthese. Das Hauptproblem der Verkehrsgeschichte ist es, die unterschiedlichen Disziplinen zu einem sinnvollen Gespräch an einen Tisch zu bringen. Überall wird die Notwendigkeit, über dieses Thema zu forschen, erkannt. Mehrere wissenschaftliche Veranstaltungen in jüngster Zeit belegen dies. Noch mangelt es indessen an Ansätzen, die divergierenden Interessen und Problemkreise zu bündeln.
  6. Die von Wilfried Reininghaus vorgenommene Analyse des Forschungsfeldes "Stadt und Verkehr" wird durch weitere thematische Beiträge ergänzt. Das IMS-Heft enthält daneben in der bewährten Form Berichte, Übersichten und Mitteilungen zur modernen Stadtgeschichte. Die regelmäßige Zusammenstellung neuer stadtgeschichtlicher Literatur enthält diesmal rund 300 Eintragungen.

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