Forschung & Publikationen

Perspektivplanung in der Arbeit mit jungen Flüchtlingen

Junge Geflüchtete sind seit 2015 eine neue Zielgruppe der Kinder- und Jugendhilfe. Eine neue Difu-Publikation widmet sich hochaktuellen und zugleich sehr praxisbezogenen Fragen der sozialen Teilhabe und Verselbstständigung junger Flüchtlinge.

Junge Geflüchtete sind spätestens seit 2015 eine nicht mehr aus der Kinder- und Jugendhilfe wegzudenkende Zielgruppe. Im Fokus einer im letzten Jahr im Difu veranstalteten Plattform für Erfahrungsaustausch des vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) geförderten "Dialogforum Bund trifft kommunale Praxis" stand die Perspektivplanung in der Arbeit mit jungen Flüchtlingen. Dabei ging es um Hilfeplanung insgesamt, mögliche Hilfeformen auch nach dem 18. Lebensjahr sowie um Zukunftsperspektiven und Verselbstständigung junger Geflüchteter. Einen weiteren Schwerpunkt bildeten Fragen nach dem Ist-Stand und den Perspektiven der Integration junger Geflüchteter in die Praxis. Welche Hilfen zur Verselbständigung erhalten sie? Wie sind die Erfahrungen, Entwicklungen und Herausforderungen vor Ort? Wo gibt es weiteren Handlungsbedarf? Welches sind die dringensten Aufgaben? Und welche Herausforderungen sind damit fachlich, infrastrukturell und personell für die Kinder- und Jugendhilfe verbunden?

Die nachfolgenden Aspekte stehen exemplarisch für die Hauptthemen der Veranstaltung.

"Jugendhilfe ist Jugendhilfe und junge Menschen sind für uns immer junge Menschen, unabhängig von ihrem Herkunftsland und von ihrem Aufenthaltsstatus. Das ist uns auch als Kommune wichtig", so Rolf Diener, Jugendamtsleiter aus Bremen. Dieses Statement wurde vielfach geteilt, gleichzeitig aber auch betont, dass junge Flüchtlinge keine homogene Gruppe sind. Es sind Jugendliche, die begleitet oder unbegleitet nach Deutschland gekommen sind, manche schwer traumatisiert, andere nicht und zum Teil sehr

selbstständig. Es gibt eine große Spannbreite, die Differenzierungen erforderlich macht und unter anderem auch zu der Frage führt, wo Verselbstständigung aufhört und ab wann jemand erwachsen ist. Dies war ein sehr zentraler Diskussionspunkt. Müssen junge Flüchtlinge eher erwachsen(er) und selbstständig(er) als in Deutschland geborene junge Erwachsene sein und  deshalb auch frühzeitig(er) ohne sozialpädagogische Unterstützung auskommen?

In vielen Diskussionen wurde deutlich, dass der § 41 SGB VIII – Hilfen für junge Volljährige, Nachbetreuung – in der Praxis von den Jugendämtern unterschiedlich angewendet wird. Im Fokus der Difu-Publikation stehen die Phase des Übergangs und die Perspektivplanung für die Zeit nach der Jugendhilfe. In der Veranstaltung wurde erörtert, wie es gelingen kann, möglichst über Arbeit und Ausbildung mit den Ausländerbehörden zu kooperieren, um den Aufenthalt auch nach der "Jugendhilfezeit" zu sichern und Familienzusammenführung zu ermöglichen. Ebenso wurden Wohnkonzepte für junge Flüchtlinge diskutiert und vorgestellt, denn inzwischen gibt es mehr junge Volljährige als Minderjährige mit Hilfebedarf. Diese Tatsache verweist zugleich auf künftige Anforderungen an die Kinder- und Jugendhilfe.

Neben den aktuellen Anforderungen an die kommunale Praxis wurden von Dr. Hubertus Schröer vom Institut – Interkulturelle Qualitätsentwicklung München (IQM) aktuelle integrationspolitische und -soziologische Diskurse vorgestellt, die handlungsleitend für eine interkulturell orientierte Jugendhilfe sein können und die sehr zum Nachdenken anregten. In dem Beitrag wird unter anderem ein erweiterter Inklusionsbegriff vorgestellt, der einen Perspektivenwechsel vornimmt und die selbstverständliche Zugehörigkeit aller Menschen zur Gesellschaft meint. "Inklusion heißt, dass Migrantinnen und Migranten ihre Erwartungen an die Gesellschaft formulieren können, wie das funktionieren soll, was bisher Integration genannt wird. Inklusion bedeutet Zugehörigkeit als ,Bringschuld‘ der Gesellschaft." Dabei geht es nicht nur um "Teilnahme" und "Teilhabe" im Sinne von Zugehörigkeit, sondern auch um die Ermöglichung von "Teilgabe". Ein Perspektivwechsel, über den ein Nachdenken sich wirklich lohnt!