Foto: grelles Sonnenlicht scheint durch ein Blätterdach
Standpunkt

Die nächste Hitzewelle kommt bestimmt: Wir müssen handeln!

Eine zukunftsorientierte Klima- und Hitzevorsorge verbessert für die Menschen die Lebensqualität, aber auch die Attraktivität ihrer Kommunen. Zugleich ist sie ein wichtiger Bestandteil einer nachhaltigen Stadt- und Quartiersentwicklung.

Die mehrwöchige Hitze- und Trockenheitsperiode im Sommer 2018 stellte Städte und Gemeinden in Deutschland vor besondere Herausforderungen: Temperaturen von fast 40° C, wochenlange Trockenheit, Innenstädte, die auch nachts nicht abkühlten, Bäume und Grünflächen, die von Feuerwehr und Polizei mit Wasserwerfern oder auch von engagierten Bürgern gewässert wurden.

Noch nicht ausgewertet sind die Folgen der gesundheitlichen Belastungen für Ältere, chronisch Kranke, Kinder und Bewohner von Stadtteilen mit geringer Umweltqualität und sanierungsbedürftigen Gebäuden. Auch die Schäden für Ökosysteme, Biodiversität und gebaute Infrastruktur oder Auswirkungen der Hitzewelle auf die Gesundheit und Produktivität der arbeitenden Bevölkerung werden bisher nicht systematisch erfasst. Es ist aber zu erwarten, dass die Hitzewelle zu steigenden Fallzahlen bei Schwächeanfällen, Dehydrierungen und Hitzeschlägen sowie zu einem deutlichen Anstieg der Sterblichkeitsrate geführt hat.

Den bereits erfolgten Anstieg der Jahresdurchschnittstemperaturen seit Beginn der offiziellen Wetteraufzeichnungen veranschaulicht eindrucksvoll die Grafik Warming Stripes von Ed Hawkins auf www.klimafakten.de. Die aktuellen Klimaprojektionen des Weltklimarats (IPCC), der Strategischen Behördenallianz zur Klimaanpassung, des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und anderer Klimaexperten in Deutschland lassen keinen Zweifel daran, dass solche Hitzewellen künftig häufiger auftreten und dringender Handlungsbedarf nicht zuletzt für Städte und Gemeinden besteht: Bis zum Ende des Jahrhunderts dürfte sich die Anzahl der Hitzetage (mit mehr als 30°C) verdreifachen. Hitzeereignisse, die heute nur alle 25 Jahre vorkommen, könnten dann alle ein bis drei Jahre auftreten. Folglich ist auch mit einer Zunahme von Gesundheitsbeeinträchtigungen zu rechnen, bis hin zur Lebensgefahr.

Der Hitzesommer 2018 hat damit fühl- und erfahrbar gemacht, welche temperaturbezogenen klimatischen Herausforderungen in Zukunft auf Kommunen, Bevölkerung, Umwelt, Wirtschaft und Infrastruktur in Deutschland und Europa zukommen. Eine Online-Befragung des Difu zur Klimaanpassung im Februar 2018 hatte noch gezeigt, dass die Mehrheit der Kommunen Hitze und Trockenheit nicht als relevante Klimafolge ansehen. Während der Hitzewelle im Sommer sah die Sache anders aus: Die Vielzahl der Medienberichte und die von Kommunen, Fachbehörden sowie Landes- und Bundesministerien kurzfristig umgesetzten Gegenmaßnahmen, Aufrufe und Warnhinweise verdeutlichten die Notwendigkeit für eine fachlich integrierte und konsequent umgesetzte Hitzevorsorge in Kommunen.

Grafik: farbige Streifen symbolisieren die Mitteltemperatur in Deutschland in den Jahren 1881 bis 2017
"warming stripes" für Deutschland - Mitteltemperatur in Deutschland in den Jahren 1881 bis 2017

Die Grafik visualisiert die Durchschnittstemperatur für Deutschland zwischen 1881 und 2017; jeder Streifen steht für ein Jahr, Basis ist der Datensatz des DWD; Abbildung: Ed Hawkins/www.klimafakten.de

Wirksame Strategien und Maßnahmen zur Hitzevorsorge sind – genauso wie solche zur Überflutungs- oder Starkwindvorsorge – integrale Bestandteile einer kommunalen Klimavorsorge, also einer vorausschauenden Klimaanpassung in Kommunen. Der professionelle Umgang mit Hitze und Trockenheit in Verwaltungen und Stadtgesellschaft sollte dabei immer das Stadtklima, mögliche Extremwetterereignisse und die zukünftigen klimatischen Veränderungen im Auge haben. Die kommunale Hitze- und Trockenheitsvorsorge ist eine Querschnittsaufgabe, die abgestimmte Strategien und Maßnahmen in verschiedenen kommunalen Handlungsfeldern erfordert:

  • Stadt- und Freiraumplanung: Über klassische stadtklimatische Maßnahmen wie die Sicherung von Grünzügen, die Freihaltung von Kaltluftschneisen und die Durchlüftung von dichtbebauten Stadtteilen und Quartieren hinaus müssen kommunale Bauleit- und Freiraumplanung künftig Raum für mehr und klimatisch wirksamere Bäume und Stadtbegrünung sowie für Bewässerungs- und Verdunstungseinrichtungen (inkl. Speichern) einplanen. Zu einer klimagerechten Stadtplanung gehört auch, durch Ausrichtungen und Höhen von Gebäuden zur Verschattung öffentlicher Räume beizutragen und rückstrahlende Materialien für Verkehrsflächen festzusetzen.
  • Grünflächen, Stadtökologie: Hier muss insbesondere für mehr und wirksamere ‚grüne‘ und ‚blaue‘ Stadtstrukturen gesorgt werden: für mehr Bäume und Stadtgrün auf Straßen, Plätzen und privaten Flächen, für die Auswahl von urbanem Grün mit ausreichenden Verschattungs- und Verdunstungsleistungen und ausreichende Bewässerung dafür, für urbane Gewässer und die konsequente Wiederverwendung von Niederschlagswasser vor Ort. Das Konzept der ‚Doppelten Innenentwicklung‘ bietet Städten und Gemeinden hierfür vielfältige Chancen und Potenziale.
  • Kommunikation, Bewusstseinsbildung, Motivation: Eine kommunale Hitze- und Trockenheitsvorsorge kann nur gelingen, wenn mögliche Betroffenheiten und Lösungswege bei allen Akteuren der Stadtgesellschaft – also Bevölkerung, Wirtschaft, Politik und Verwaltung – von Beginn an akzeptiert werden. Ziele, Planungen und konkrete Maßnahmen für die klimagerechte Stadt- und Quartiersentwicklung sind daher frühzeitig, nachvollziehbar und verständlich zu kommunizieren. Gleichzeitig müssen alle Akteure mittelfristig einen der Situation angemessenen Umgang mit länger andauernder Hitze und Trockenheit in Siedlungsgebieten lernen, d.h. gemeinsam eine urbane Klimaresilienz entwickeln und kontinuierlich verbessern.
  • Strategien, Politik und Verwaltungsorganisation: Politik und Verwaltung müssen klimabezogene Stadtentwicklungsziele in ihre kommunalen Strategien für Innenentwicklung, Urbanes Grün, Gesundheit, Verkehr oder Umweltqualität aufnehmen. In jeder Kommune sollten dazu aussagekräftige Klimafolgen- und Betroffenheitsanalysen vorliegen. Außerdem ist der Klimawandel künftig als gleichberechtigter Belang in allen kommunalen Planungs- und Entwicklungsprozessen zu berücksichtigen. Ergänzend dazu sollten Strukturen und Abläufe an die Notwendigkeiten einer integrierten Planung angepasst werden.

Fazit:

Die Klima- und Hitzevorsorge ist zu einem wichtigen Bestandteil der kommunalen Daseinsvorsorge geworden. Sie trägt in erheblichem Maße zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung bei, indem sie sich mit langem Atem den wesentlichen Entwicklungsaufgaben der Zukunft zuwendet. Kommunalpolitik und Verwaltung müssen dafür Sorge tragen, dass die neuen Aufgaben schrittweise in den kommunalen Haushalten berücksichtigt werden. Bund und Länder sind aufgefordert, die erforderlichen gesetzlichen und finanziellen Rahmenbedingungen dahingehend anzupassen.

Der Hitzesommer 2018 hat deutlich gemacht, dass Kommunen ihre Prioritäten mit Blick auf Klima- und Hitzevorsorge anpassen müssen. Umfangreiches Wissen zu Strategien und Maßnahmen der Klimavorsorge wurde in den letzten Jahren erarbeitet – es muss nun von Bund, Ländern und Kommunen angewendet werden. Viele Kommunen in Deutschland sind bereits in der Klima- und Hitzevorsorge sehr aktiv. Es gilt, die Chancen zu erkennen, Gelegenheiten zu nutzen, um frühzeitig auf den Wandel eingestellt zu sein. Weitere Kommunen sollten folgen, um die eigene Kommune klimagerecht, robust und nachhaltig zu entwickeln und auf die Zukunft vorbereitet zu sein. Dies ist sicherlich auch die Erwartung der den Kommunen lebenden Menschen.

aus: Difu-Magazin Berichte 4/2018