Bürgerengagement und Bürgerbeteiligung zusammendenken
Bereits zum fünften Mal fand der vom Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) initiierte Erfahrungsaustausch "Kommunale Beteiligungskultur" – diesmal in Wolfsburg – statt. Die durch vielfältige Erfahrungen inspirierten, lebhaften Diskussionen der Arbeitsgruppen sowie im Plenum zeugten davon, dass der Wunsch nach Erfahrungsaustausch ungebrochen anhält. Fast 50 an dem Thema Interessierte – "alte Hasen" aber auch "Frischlinge" – aus großen und kleinen Städten sowie aus Kommunalverwaltung und -politik diskutierten, wie Stadt gemeinsam mit Bürgern gestaltet werden kann und welche (neuen) Wege für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Stadtverwaltung, Stadtpolitik, Wirtschaft und Bürgern/Zivilgesellschaft zu erschließen sind.
In Praxisbeispielen aus Dortmund, Berlin, Kiel, Köln und Wolfsburg wurden u.a. folgende Aspekte präsentiert und im Plenum intensiv diskutiert:
Wen wollen wir beteiligen?
- Bürgerbeteiligung ist kein Selbstläufer. Die von der Verwaltung initiierten und erdachten Beteiligungsangebote passen nicht immer zu den Bedürfnissen der Menschen.
- Immer mehr Menschen fühlen sich nicht wahrgenommen und gehört. Es bedarf eines am Prozess und Bedarf unterschiedlicher Menschen orientierten Vorgehens der Verwaltung. Strukturen und Abläufe müssen angepasst werden, neue Governance-Modelle und Methoden erprobt.
- Beteiligungsformate sind nicht vorrangig auf Dialog und Sprache, sondern auch auf andere Formen der Informationsvermittlung und des Austauschs auszurichten.
Wie können Bürgerbeteiligung und Engagement zusammengedacht werden?
- Bürgerbeteiligung und bürgerschaftliches Engagement sollten im Zusammenhang gesehen werden. Dies hat den Vorteil, dem mitunter sehr starken Fokus auf strukturierte Bürgerbeteiligung – die vor allem in Richtung Kommunalverwaltung und Kommunalpolitik wirkt – ein Gegengewicht zur Seite zu stellen und die Aktivitäten der Menschen in den Mittelpunkt zu rücken.
Leitlinien – mehr als eine Verwaltungsroutine?
- Der Prozess der Leitlinienentwicklung ist wichtig, aber der eigentliche Schlüssel liegt in ihrer Umsetzung und der Frage, welche Wirkungen sie tatsächlich entfalten.
- Kontrovers ist, inwieweit eher formale Leitlinien-Prozesse die eigentliche Bürgerbeteiligung und das Engagement von Menschen abwürgen. In diesem Zusammenhang empfiehlt es sich, Leitlinienentwicklung mit Projekten zu begleiten, um der starken Formalisierung und dem starren Leitliniengerüst entgegenzuwirken.
- Ressourcen sind für alle Kommunen ein wichtiges Thema – für kleinere Städte stellt sich in besonderer Weise die Frage, was in Sachen Bürgerbeteiligung tatsächlich leistbar ist.
Erfahrungen des gut etablierten Wolfsburger Weges der "BürgerMitwirkung" vermittelten Oberbürgermeister Klaus Mohn, Petra Türke und Sebastian Thom. Sie zeigten Wege auf, wie die Qualität und Transparenz in Beteiligungsprozessen sichergestellt werden kann und welchen Stellenwert Online-Verfahren und Digitalisierung für die Beteiligung haben.
Mit dem Vortrag "Stadtpolitik in Zeiten des Populismus" verdeutlichte schließlich Prof. Dr. Michael Haus vom Institut für Politische Wissenschaft der Universität Heidelberg, wie herausfordernd die Gestaltung demokratischer Prozesse für Stadtverwaltungen und Kommunalpolitik in heutigen Zeiten ist. Populismus befördere Pluralismus. Stimmen, auch rechtspopulistische, würden laut, die zuvor nicht oder weniger gehört wurden. Die Politik habe hierfür einen Umgang zu finden.