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Standpunkt

Digitalisierung in Kommunen souverän gestalten

Open Data und digitale Souveränität sind Schlüsselthemen der Stadtentwicklung. Für Kommunen gilt es, die Vorteile der Digitalisierung zu nutzen und folgenreiche Abhängigkeiten zu vermeiden.

Ein Beitrag von Jens Libbe

Die Diskussion über den Umgang mit der Digitalisierung wird zunehmend durch Erwartungen an eine Professionalisierung der Daten-Governance von Politik und Verwaltung und die Durchsetzung digitaler Souveränität geprägt. Im Zentrum stehen dabei verschiedene Aspekte: Für die Kommunen geht es zunächst einmal um die Möglichkeiten und Grenzen im Umgang mit Daten. Damit verbunden stellen sich Fragen der offenen Strukturen der Datenerfassung, -übertragung und -analyse, der wirtschaftlichen Verwertung von Daten, der Abhängigkeit von Technologiekonzernen und Softwareprodukten sowie des Aufbaus eigener Kompetenzen. Letztlich geht es bei all diesen Fragen im Kern um die Sicherung der kommunalen Selbstverwaltung in der digitalen Transformation.

Eine kürzlich vom Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) für die Bertelsmann-Stiftung durchgeführte Befragung verdeutlichte, dass über 90 Prozent der kommunalen Expert*innen bestrebt sind, verstärkt offene Daten zur Verfügung zu stellen. Rund ein Drittel der befragten Kommunen macht dies bereits. In der Diskussion um Open Data wird immer wieder die Frage aufgeworfen, ob alle Daten offen und kostenlos zur Verfügung stehen dürfen und sollten. Grundsätzlich gilt, dass der Weitergabe von Informationen, die in der Hand der Kommunen liegen, an private Dritte weder der Datenschutz noch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung im Wege stehen, so lange den Informationen von vornherein ein eindeutiger Personenbezug fehlt oder dieser anonymisiert wurde. Werden diese Daten kommerziell genutzt, wirft dies die Frage auf, ob die Weitergabe kostenlos oder kostenpflichtig gestaltet werden soll. Die Beantwortung ist davon abhängig, um welche Art von Daten es sich handelt und wie der Rechtsrahmen den Umgang mit diesen Daten regelt.

Digitale Souveränität bedeutet den Aufbau eigener Strukturen und Kompetenzen

Sofern kommunal erhobene Daten weitergegeben werden, nutzen die Kommunen bereits heute Lizenzen, mittels derer die Gewährung und der Umfang der Datennutzung rechtssicher geregelt wird. Insbesondere Geodaten werden von vielen Kommunen kostenfrei zur Verfügung gestellt, sodass diese von Dritten fachbezogen aufbereitet werden können. Sensibel ist die Offenlegung von Daten hingegen dort, wo kommunale Unternehmen im Wettbewerb mit privaten Dienstleistern stehen.

Dies führt unter Umständen zu der Situation, dass kommunale Unternehmen ihre Daten herausgeben und private Unternehmen diese nutzen, um in profitablen Bereichen konkurrierende Angebote zu machen, ohne selbst Daten weiterzugeben.

Notwendiger Bestandteil der digitalen Souveränität ist der Aufbau eigener Strukturen und Kompetenzen. Vor diesem Hintergrund befassen sich derzeit viele Städte mit dem Aufbau urbaner Datenplattformen als Dreh- und Angelpunkt des sogenannten kommunalen Datenraums. Letztlich geht es um die Schaffung einer vernetzten kommunalen Dateninfrastruktur und damit verbunden die Verknüpfung bisher dezentraler Datenpools. Institutionell und organisatorisch sollte dies durch eine entsprechende Daten-Governance mit entsprechenden Zielen, Leitlinien und Verantwortlichkeiten im Umgang mit Daten flankiert werden.

Datensouveränität bedeutet die gleichermaßen technologische wie organisatorische Hoheit über die eigenen Daten und die Dateninfrastrukturen. Hier geht es im Kern um die demokratische Kontrolle im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung. Vor diesem Hintergrund ist zu klären, wer diese Dateninfrastruktur betreiben soll und wo diese technisch angesiedelt sein sollte. Hier ist gleichermaßen an die Schaffung einer eigenen städtischen Organisationseinheit bzw. die Gründung einer städtischen Gesellschaft, die Zusammenarbeit mit kommunalen Infrastrukturunternehmen bzw. die Nutzung städtischer Rechenzentren oder eine interkommunale Lösung denkbar.

Grundsätzlich sind auch Partnerschaften mit privaten Dritten ein gangbarer Weg. In diesem Fall sollte jedoch sichergestellt sein, dass sich die Kommunen nicht abhängig von privaten Betreibern machen. Dass die Gefahr solcher Abhängigkeiten real ist, zeigt sich dort, wo Kommunen im Rahmen von Projekten der Smart City mit privaten Technologieunternehmen kooperieren. In diesen Projekten werden auf die eine oder andere Weise regelmäßig Daten generiert. Für die kommunale Datensouveränität ist entscheidend, dass vertraglich festgelegt wird, wo die Daten liegen, wem sie gehören und wann diese zur Verfügung gestellt werden. Für die Kommunen ist der volle Datenzugriff und damit die uneingeschränkte Datensouveränität entscheidend.

Ein Flickenteppich unterschiedlicher Standards sollte vermieden werden

Einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der digitalen Souveränität leistet die Umstellung auf Open Source Software sowie die Nutzung offener Standards und Schnittstellen. Open Source, also die Nutzung einer Software mit einem offengelegten und veränderbaren Quelltext, ist in den Kommunen bisher eher die Ausnahme. In der Regel wird auf am Markt gängige proprietäre Softwareprodukte (etwa Microsoft Windows) zurückgegriffen. Ihre Nutzung verspricht ein hohes Maß an Bequemlichkeit in der Anwendung. Ihre Nachteile liegen in Risiken der Zugriffs- und Angriffssicherheit sowie in der zumeist durch die Anbieter vorgesehenen starken Beschränkung in Hinblick auf Weiterverwendung oder auch Änderung. Vor allem aber führt jede Nutzung solcher privater Software zu hoher Abhängigkeit vom Anbieter und in Verbindung mit den damit gekoppelten Anwendungsmöglichkeiten auch zur Abhängigkeit von ganzen sogenannten digitalen Ökosystemen. Je größer die Abhängigkeit desto stärker auch das, was in der Wirtschaftswissenschaft als Verriegelungseffekt (lock-in) bezeichnet wird. Dieser Effekt ist nicht allein technischer Natur, sondern vor allem einer der Gewöhnung. Die Nutzenden haben gelernt, mit einer bestimmten Software umzugehen und sind daran gewöhnt, deshalb zeigen sie meist wenig Bereitschaft, auf einen anderen Standard zu setzen. Diese Bereitschaft sinkt noch, wenn sich Kompatibilitätsprobleme zwischen Standard- und Open Source-Software zeigen. Im Ergebnis ergeben sich selbst verstärkende Mechanismen und positive Rückkoppelungseffekte. In der digitalen Welt bedeutet dies, dass die dominierenden Softwareanbieter eine immer stärkere Marktdominanz entwickeln und auf Seiten der Anwender eine hohe Pfadabhängigkeit besteht.

Beschließt also eine Kommune den Umstieg auf Open Source, so muss sie sich vor allem der Gewöhnungseffekte im Umgang mit etablierter Software bewusst sein. D.h., ein solcher Schritt muss in der Verwaltung nicht nur technisch, sondern vor allem mit Blick auf das Personal gut vorbereitet sein und bedarf der entsprechenden Planung gangbarer Schritte. Auf Dauer kann der Umstieg auf Open Source nicht nur Abhängigkeiten von Herstellern minimieren, sondern vor allem auch, wenn viele Kommunen diesen Weg gehen, ein wichtiges Korrektiv im Markt sein.

Hingegen rückt das Thema der offenen Standards immer stärker in den Fokus der Kommunen. Offene und gemeinsame Standards ermöglichen es, Daten auszutauschen und Systeme sowie Softwareanwendungen miteinander zu verknüpfen. Sie sind zudem auch für Softwarelösungen innerhalb der Kommunen wichtig, schützen sie doch vor der Abhängigkeit von bestimmten technischen Produkten.

Das vom Bund geplante Zentrum für digitale Souveränität ist ein wichtiger Schritt, um Vernetzung und Kompetenzaufbau zu fördern. Dies hat jüngst auch der Hauptausschuss des Deutschen Städtetages ausdrücklich festgestellt. Es bedarf der Abstimmung nicht zuletzt mit und zwischen den Kommunen um sicherzustellen, dass verschiedene Plattformen miteinander kompatibel sind und ein Flickenteppich unterschiedlicher Standards vermieden wird. Passfähige Lösungen sind dabei solche, die am Bedarf der Kommunen orientiert sind.

Der Beitrag ist im Difu-Magazin "Berichte" 4/2020 erschienen.