Foto: Das Wort "Grund" ist in Metallbuchstaben in den Boden eingelassen
Standpunkt

Plädoyer für eine aktive Bodenpolitik der Kommunen

Die heutige Stadtpolitik steht vor zentralen Herausforderungen: Klimawandel, Schutz der natürlichen Ressourcen, Auffangen sozialer Ungleichheiten, soziale Wohnraumversorgung, Umgang mit Zuwanderung, Handling von Gebäudeleerständen und entstehenden Brachflächen.

Die heutige Stadtpolitik steht vor zentralen Herausforderungen: Klimawandel, Schutz der natürlichen Ressourcen, Auffangen sozialer Ungleichheiten, soziale Wohnraumversorgung, Umgang mit Zuwanderung, Handling von Gebäudeleerständen und entstehenden Brachflächen.

Erforderlich ist ein ökologisch verantwortlicher, ressourcenschonender, aber auch ökonomisch effizienter wie sozial ausgewogener Umgang mit der Fläche. Städte sollen sich vorrangig nach innen entwickeln, Brachflächen einer neuen Nutzung zugeführt und die Möglichkeit zur Nachverdichtung genutzt werden. So ökonomisch und ökologisch sinnvoll diese Ziele sind, bislang fehlt häufig der Zugriff auf die Flächen. Eigentümer wollen oft aus spekulativen oder anderen Gründen nicht selbst entwickeln oder verkaufen.

Zugleich ist in einer Reihe von Städten der Druck auf dem Wohnungsmarkt stark gewachsen. Mieten und Immobilienpreise steigen, das Angebot an preiswertem Wohnraum für Bevölkerungsgruppen mit niedrigem, zum Teil auch mit mittlerem Einkommen, wird knapp. Verdrängung weniger zahlungskräftiger Bevölkerungsgruppen, d.h. eine soziale Entmischung, ist nur eine Folge. Der Mangel an preiswertem Wohnraum wird sich verstärken, wenn eine große Zahl von Geflüchteten und Asylsuchenden nach der Zeit der Erstunterbringung auf den normalen Wohnungsmarkt trifft. Zwar hat die Bautätigkeit zumindest in den wachsenden Kommunen spürbar angezogen, überwiegend werden allerdings Eigentumsmaßnahmen im mittleren und höheren Preissegment umgesetzt. Es fehlen Angebote für Personen mit durchschnittlichen oder niedrigen Einkommen. Ein nicht unerheblicher Faktor der Baukosten sind die Grundstückspreise. Diese wiederum lassen sich am wirkungsvollsten durch eine aktive Bodenpolitik der öffentlichen Hand beeinflussen. Einige Länder haben zudem neue Förderprogramme für den sozialen Wohnungsbau aufgelegt. Angesichts des derzeitigen Zinsniveaus sind diese aber eher unattraktiv und entfalten Wirksamkeit nur im Rahmen kommunaler Baulandmodelle.

Wie kann daher eine am Gemeinwohl ausgerichtete, nachhaltige Stadtentwicklung gelingen? Städte müssen die Nutzung von Grund und Boden im Sinne der Gemeinwohlerfordernisse gestalten. Dies gelingt nicht allein durch städtebauliche Planung, welche einen als Angebot wirkenden Ordnungsrahmen setzt. Es bedarf einer umfassenderen, auch den Umsetzungsanspruch fixierenden kommunalen Bodenpolitik, die in vielen Kommunen in Vergessenheit geraten zu sein scheint. Dabei hat schon in den 1920er-Jahren Konrad Adenauer als damaliger Oberbürgermeister von Köln festgestellt: "Wir leiden nach meiner tiefsten Überzeugung in der Hauptsache in unserem Volk an der falschen Bodenpolitik der vergangenen Jahrzehnte. Ich betrachte diese falsche Bodenpolitik als die Hauptquelle aller physischen und psychischen Entartungserscheinungen, unter denen wir leiden. ... Die bodenreformerischen Fragen sind nach meiner Überzeugung Fragen der höchsten Sittlichkeit" (zitiert nach: Mitscherlich 1972). So überrascht es nicht, dass im Rahmen des von Bund, Ländern und Verbänden initiierten Bündnisses für bezahlbares Bauen und Wohnen der essentielle Beitrag einer kommunalen Bodenpolitik erkannt und eine Arbeitsgruppe "Aktive Liegenschaftspolitik" gebildet wurden (BMUB 2015a).

Wachsende und schrumpfende Städte müssen die Notwendigkeit einer aktiven, entschlossenen Bodenpolitik (wieder)erkennen, Kommunen die bestehenden Handlungsspielräume für eine Kommunale Bodenpolitik nutzen, Bund und Länder Rahmenbedingungen wie das Städtebaurecht und fiskalische Anreizinstrumente weiterentwickeln.

Kommunale Bodenpolitik forcieren

Das kommunale Eigentum an Grund und Boden ist mehr als eine fiskalpolitische Option zur Überbrückung von Engpässen im Haushalt. Die Rolle des Grundstückseigentümers ermöglicht es Städten frei zu disponieren. Grundstücke können an diejenigen veräußert werden, welche sich zur Umsetzung der im Interesse des Gemeinwohls verfolgten Ziele verpflichten. Die Wertschöpfung aus der Entwicklung der Grundstücke erfolgt durch die Kommunen und kann zur Finanzierung der Folgeinfrastruktur genutzt werden. Als Akteur am Immobilienmarkt können die Kommunen spekulationsgetriebenen Preisentwicklungen entgegenwirken. Einige Städte wie z.B. Ulm verfolgen bereits seit vielen Jahrzehnten und mit großem Erfolg eine auf Bodenbevorratung gestützte Stadtentwicklungspolitik. Als wichtige Bausteine einer solchen aktiven kommunalen Bodenpolitik sind insbesondere folgende herauszustellen:

  • langfristige strategische Bodenvorratspolitik zur Sicherung von Entwicklungsoptionen,
  • Zwischenerwerb von Grundstücken mit anschließenden Konzeptvergaben zur Schaffung von Bauland für bezahlbaren Wohnraum,
  • Modelle kooperativer Baulandentwicklung auf der Basis städtebaulicher Verträge.

Vorteile dieser aktiven Bodenpolitik sind nicht zuletzt durch die AG Aktive Liegenschaftspolitik des Bündnisses bezahlbares Wohnen und Bauen beschrieben (BMUB 2015b). Die bestehenden Chancen sollten erkannt, aufgegriffen und umgesetzt werden.

Grundsteuer reformieren

Eine Grundsteuerreform wird seit Jahrzehnten diskutiert. Sie soll für eine gerechtere Besteuerung sorgen und Anreize zur Mobilisierung von Bauland schaffen. Dies brachte der Deutsche Städtetag in seinem Präsidiumsbeschluss zur Grundsteuerreform 2010 auf den Punkt: "… Zur Unterstützung der bodenpolitischen Ziele der Städte – insbesondere zur Förderung der sog. "Innenentwicklung" – muss eine Tarifoption zur Mobilisierung erschlossener, aber unbebauter Grundstücke eingeführt werden" (DST 2010). Bereits 2001 unterzog das Difu im Auftrag des Bundesbauministeriums verschiedene Modelle einer Grundsteuerreform auch unter dem Aspekt der Baulandmobilisierung einem Praxistest mit dem Ergebnis, dass eine Bodenwertsteuer prinzipiell dieser Zielsetzung gerecht werden kann (Lehmbrock/Coulmas 2001). Auch die aktuelle Veröffentlichung des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln "Mehr Boden für die Grundsteuer – eine Simulationsanalyse verschiedener Grundsteuermodelle" (Henger/Schaefer 2015) stützt das Difu-Untersuchungsergebnis. Zudem ist zu erwarten, dass es zu finanziellen Entlastungen von Mieterhaushalten kommt. Folgerichtig hat auch die AG Aktive Liegenschaftspolitik die "Einführung einer steuerlichen Option für Kommunen zur Mobilisierung von bebaubaren, aber unbebauten Grundstücken in der Grundsteuer" empfohlen (BMUB 2015b).

Planungs- und Baurecht überprüfen und weiterentwickeln

Eine langfristig angelegte strategische und am Gemeinwohl ausgerichtete Bodenpolitik der öffentlichen Hand führt zur Frage, ob das vorhandene planungsrechtliche Instrumentarium für diese Politik ausreicht. Dabei muss ein effizientes Bodenrecht sowohl wachsende als auch schrumpfende Städte in ihren Bemühungen um eine nachhaltige Stadtentwicklung unterstützen. In den Blick zu nehmen sind diejenigen Instrumente, die zu einer effektiven Baulandmobilisierung beitragen, wie das Baugebot und die Enteignung. Ihre Anwendung ist jedoch an enge Voraussetzungen gebunden, auf besondere Einzelfälle beschränkt und meist mit unverhältnismäßig großem Aufwand verbunden. Das gesetzliche oder durch Satzung begründete Vorkaufsrecht bleibt oft wirkungslos, weil es davon abhängt, dass Grundstücke veräußert werden. Die Umlegung kann hilfreich sein, benötigt aber passende  Rahmenbedingungen. Städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen als schärfstes Schwert des Städtebaurechts erlauben die Entwicklung großer Areale als Gesamtmaßnahme auf der Basis kommunalen Zwischenerwerbs. Auch hier sind die Voraussetzungen hoch. Zudem sind finanzielle Risiken zu beachten.

Bei kleineren, in den Siedlungsbestand eingestreuten Brachflächen und Baulücken scheidet die Anwendung des städtebaulichen Entwicklungsrechts derzeit aus. Wichtige Entwicklungsoptionen bleiben so ungenutzt. Daher wird zurzeit über eine Weiterentwicklung des Rechts der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen nachgedacht (BMUB 2015a). Hier geht es um eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme auch auf kleinteiligere Fallgestaltungen oder um die Schaffung einer der Entwicklungssatzung nachgebildeten eigenständigen Satzung, mit der die Gemeinde Gebiete definieren kann, in denen ihr aus Gründen des Allgemeinwohls der Grunderwerb unter erleichterten Bedingungen bis hin zur Enteignung ermöglicht wird, wenn Grundstückseigentümer eine fehlende Mitwirkungsbereitschaft zeigen.

Insgesamt werden vorhandene und voraussichtlich auch neu zu schaffende bodenrechtliche Instrumente vergleichsweise "zurückhaltend" genutzt werden. Es fehlen oft personelle Kapazitäten, zum Teil auch die fachliche Qualifikation zur sachgerechten Anwendung. Die harten Eingriffe durch Gebote und Enteignung erfordern zudem Konfliktbereitschaft und (politischen) Willen. Erfolgreiche Bodenpolitik ist daher auch eine Frage der politischen Kultur. Hier gilt es, im Interesse des Gemeinwohls auch Mut zu beweisen.

Eine wirkungsvolle Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele sowie der Ziele einer sozialen Wohnungspolitik erfordert eine Weiterentwicklung des bodenrechtlichen Instrumentariums genauso wie das entschlossene politische Handeln der Kommunen. Angesichts der stark differierenden  Rahmenbedingungen der räumlichen Entwicklung in der Bundesrepublik bedarf es eines vielgestaltigen Instrumentariums.