Pressemitteilung

Migranten mischen im Kiez zunehmend mit

Aktuelles Difu-Gutachten belegt wachsendes Engagement von Migranten für ihr Quartier

Berlin. In den letzten Jahren haben sich die Bewohner der Berliner Quartiere zunehmend und in vielfältiger Form für ihren Kiez engagiert. Ergebnisse eines von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung beauftragten aktuellen Gutachtens des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu) belegen nun auch das steigende Engagement der Migranten für ihren Kiez. Seit 2001 unterstützte der Berliner Senat die Aktivitäten durch besondere Maßnahmen für eine Verstetigung und Optimierung des Programms "Soziale Stadt". Hierdurch konnten die Beteiligungsmöglichkeiten und Mitentscheidungsbefugnisse der Bewohner gefördert werden. So wurde das Verfahren der "Quartiersjury" eingeführt und - bestärkt durch die ersten Erfolge - ab 2005 in allen Gebieten ein Quartiersbeirat eingesetzt, der unter hoher Bewohnerbeteiligung entstand. Dieses zentrale Gremium diskutiert gemeinsam mit der Verwaltung und dem Quartiermanagement vor Ort Entwicklungsmöglichkeiten für die Quartiere. Auf diesem Wege können beispielsweise auch Entscheidungen über Projektförderungen und damit über den Einsatz der Mittel gemeinsam gefällt werden. Bislang war nicht bekannt, ob auch Migranten in diese Verfahren erfolgreich eingebunden sind. Dieser Frage wurde daher im Rahmen des Difu-Gutachtens in zwölf Berliner Quartiermanagement-Gebieten nachgegangen. Alle Gebiete betreiben seit Beginn des Bundesprogramms "Soziale Stadt" im Jahr 1999 Quartiermanagement. Und in allen Gebieten weist die Bevölkerungszusammensetzung einen hohen Anteil nichtdeutscher Bewohner auf. In drei der untersuchten Gebiete bilden Personen ohne deutschen Pass einen Bevölkerungsanteil von über 40 Prozent. Untersucht wurden vor allem Strukturen, Verfahren und Prozesse der Beteiligung. Die Difu-Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass die Beteiligung und Aktivierung - auch der Bevölkerung mit Migrationshintergrund - ein Kernbestandteil der Arbeit aller Quartiermanagement-Teams ist und hinsichtlich der Vielfalt der Aktivitäten wie auch der Beteiligungsquote als erfolgreich zu bewerten ist. Zugleich lassen die Studien-Ergebnisse die Schlussfolgerung zu, dass auf Senats-, Bezirks- und Quartierebene auch noch viel getan werden kann, um die erfolgreiche Arbeit weiter zu optimieren und vor allem nachhaltig zu sichern. Dieses "Tun" kann verschiedene Formen haben: zum Beispiel die Bereitstellung von zusätzlichen finanziellen und personellen Ressourcen, die Auslobung von Modellvorhaben - z.B. zur Förderung der Zusammenarbeit mit Moscheevereinen, die politische Rückendeckung und Federführung beim Aufbau von Kooperationen mit Bildungseinrichtungen sowie die Weiterentwicklung kleinräumiger und zielgruppenspezifischer Beteiligungsmöglichkeiten. Die Abstimmung lokaler Integrationskonzepte wurde in diesem Zusammenhang von den Gutachtern als besonders zielführend erachtet. Details zur Untersuchung Die Studienergebnisse lassen sich fünf Themenbereichen zuordnen: - Teilnahme an formalen Beteiligungsstrukturen/Gremienarbeit (Quartiersbeirat (QR) und Vergabebeirat Aktionsfonds) Migranten sind in allen Quartiersbeiräten deutlich vertreten. Dies ist als großer Erfolg der beteiligenden Arbeit in den Quartieren zu werten. Der Migrantenanteil in den Quartiersbeiräten beträgt durchschnittlich 24 Prozent, davon sind 42 Prozent Frauen. Allerdings liegen die Beteiligungsquoten noch deutlich unter dem Bevölkerungsanteil von Migranten in den Quartieren. Der Anteil der Teilnehmer türkischer Herkunft an den Gesamtteilnehmern des QR beträgt im Durchschnitt aller untersuchten Quartiere 16 Prozent. Dieser Prozentsatz liegt für die Personen arabischer Herkunft bei rund fünf Prozent. Damit sind diese Migrantengruppen im Vergleich zu ihrem Bevölkerungsanteil in den Quartieren gut im QR vertreten. Innerhalb der arabischen Teilnehmer beträgt die Gruppengröße der Frauen 13 Prozent und ist damit allerdings deutlich unterrepräsentiert. Die Teilnehmer mit Migrationshintergrund aller anderen Länder - exklusive arabischer und türkischer Teilnehmer - zusammengenommen, haben einen Anteil von vier Prozent am gesamten Quartiersbeirat (im Vergleich zu 17 Prozent der Quartiersbevölkerung). Sie setzen sich zusammen aus Vertretern der GUS-Staaten, der europäischen Länder, aus Afrika sowie dem ehem. Jugoslawien und Pakistan. Insbesondere die Migrantengruppen aus dem ehemaligen Jugoslawien, den GUS-Staaten sowie aus Polen und den EU-Staaten werden im Vergleich zu ihrer Präsenz in den Quartieren bislang nur unzureichend eingebunden. Neben der Projektförderung durch den Quartiersrat wird über Gelder des Aktionsfonds (jetzt: Quartiersfonds 1) durch einen kleineren Vergabebeirat entschieden. Hier geht es um kurzfristige Maßnahmen der Bewohneraktivierung. Der Vergabebeirat gestaltet sich mit Blick auf Abläufe und Verfahren deutlich weniger aufwändig und unbürokratisch als der Quartiersbeirat und setzt sich zu mehr als einem Drittel der Teilnehmer aus Personen mit Migrationshintergrund zusammen. Frauen haben innerhalb der Teilnehmer mit Migrationshintergrund im Vergabebeirat Aktionsfonds einen überdurchschnittlich hohen Anteil (62 Prozent). Damit ist hier die Beteiligung von Migranten und insbesondere der Frauen deutlich höher als im Quartiersbeirat. - Integrationsfördernde Kooperationen Beteiligung und Aktivierung der Quartiersbevölkerung mit Migrationshintergrund können insbesondere durch lokale Kooperationen und quartiersbezogene Netzwerke gefördert werden. Für die meisten Quartiersmanagement-Teams stellt insbesondere der Auf- und Ausbau von Kooperationsbeziehungen mit Moscheevereinen eine zukünftige Herausforderung dar. In einigen Gebieten, insbesondere im Bezirk Mitte, werden die Moscheevereine bereits erfolgreich am Verfahren beteiligt. - Öffentlichkeitsarbeit Die Vernetzung des Quartiermanagements mit lokalen Akteuren - insbesondere mit Bildungseinrichtungen und Migrantenvereinen - bildet einen wesentlichen Schlüssel zu einer erfolgreichen Öffentlichkeitsarbeit. Eine besondere Herausforderung stellen in diesem Zusammenhang der Umgang mit negativen Schlagzeilen und die Stigmatisierung von Quartieren dar. Die Bevölkerung mit Migrationshintergrund kann durch öffentlichkeitswirksame Maßnahmen dann besser erreicht werden, wenn diese im öffentlichen Raum und an "alltäglichen" Orten des Quartiers stattfinden. - Strategische Ausrichtung der beteiligenden und aktivierenden Arbeit des Quartiermanagements Die Beteiligung und Aktivierung sind Kernbestand der Arbeit aller Quartiermanagement-Teams. Dies ist ein großer Erfolg der Arbeit der vergangenen acht Jahre. Mit Blick auf die Zukunft sollte die übergreifende strategische Ausrichtung der aktivierenden und beteiligenden Arbeit bislang intensiviert werden. Strategische Zielsetzungen für eine Aktivierung und Beteiligung, eine darauf aufbauende Prioritätensetzung, insbesondere innerhalb des Arbeitsfeldes der Beteiligung und Aktivierung von Migranten und ein darin mündendes Konzept für die Umsetzung, z.B. in Form einer integrationspolitischen Entwicklungsstrategie, stellen hierbei wesentliche Bausteine dar. Verständigung sollte darüber hergestellt werden, welche Rollen unterschiedliche Akteure - beispielsweise das QM, Migrantenvereine, Bewohnerschaft - mit Blick auf die Steuerung des Prozesses, das Dialogmanagement und die Mobilisierung der Bewohnerschaft übernehmen. - Personelle Strukturen des Vor-Ort-Büros Der erfolgreiche Aufbau und die Sicherstellung von tragfähigen Netzwerken und Arbeitsbeziehungen zu der Bevölkerung im Quartier erfordern die Absicherung personeller Ressourcen und den Einsatz kontinuierlicher Ansprechpartner für die Bevölkerung bzw. einzelne Bewohnergruppen. Die Beschäftigung von Personen mit Migrationshintergrund in den Quartiermanagement-Teams ist ein wichtiges Signal an die Bevölkerung und wirkt sich positiv auf den Zugang und die Erreichbarkeit von Bewohnern mit Migrationshintergrund - insbesondere der gleichen Ethnie - aus. Elf der zwölf untersuchten Quartiermanagementgebiete verfügen mittlerweile über Quartiermanager mit (vorwiegend türkischem) Migrationshintergrund. Dieser personelle Einsatz trägt deutlich zur erfolgreichen Aktivierung und Beteiligung von Migranten bei. Die Einbindung ehrenamtlicher Helfer in die Arbeit einiger QMs ist ebenfalls positiv zu bewerten. Vor diesem Hintergrund sollten zukünftig Formen einer verstärkten (symbolischen) Anerkennung des Ehrenamts gefunden werden. Weitere Informationen: Dr. Bettina Reimann, Telefon: 030/39001-191, E-Mail: reimann [at] difu [dot] de Weitere Informationen im Internet: Presseerklärung der Senatverwaltung für Stadtentwicklung: /system/files/archiv/presse/071128-sen-stadt-difu-gutachten-qm.pdf Difu-Gutachten zum Download: http://edoc.difu.de/edoc.php?id=8TNCG5K9