Stadtentwicklung in Coronazeiten – eine Standortbestimmung
Die Corona-Pandemie hat Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft in kurzer Zeit in den Ausnahmezustand versetzt. Die wirtschaftlichen und fiskalischen Folgen schlagen natürlich auch – zum Teil besonders stark – auf die kommunale Ebene durch. Was heißt das für die Entwicklung unserer Städte? Gerade weil weiterhin Unsicherheit über Dauer und Ausmaß der Pandemie besteht, ist es nötig, die Schwerpunktsetzungen der Stadtentwicklung zu überprüfen.
Fast alle Prognosen zur Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2020 gehen von einem Rückgang von über sechs Prozent aus und damit vom stärksten Einbruch des Sozialprodukts in der Geschichte der Bundesrepublik. Kommunale Steuereinnahmen leiden stark unter dieser Entwicklung. Für die aufkommensstärkste Steuer der Kommunen – die Gewerbesteuer – wird in 2020 ein Rückgang von rund 25 Prozent erwartet. Da Kommunen – im Gegensatz zu Bund und Ländern – auch in der Rezession nur unter restriktiven Bedingungen Kredite aufnehmen können, brauchen sie Unterstützung.
Jenseits der akuten Notstandsbewältigung gilt es, den Blick nach vorn zu richten. Stadtentwicklung bedarf angesichts der veränderten finanziellen Rahmenbedingungen einer Konsolidierung. In dem Maße, wie die kommunalen Haushalte weniger Mittel für Projekte der Stadtentwicklung zur Verfügung haben, müssen kurzfristig Entscheidungen darüber getroffen werden, ob die Prioritäten umsetzungsreifer Investitionsprojekte verändert und den knapperen Ressourcen angepasst werden. Wichtig ist, dass kurzfristig realisierbare Investitionen auch getätigt werden. Die Bereitschaft zur temporären öffentlichen Kreditfinanzierung ist eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass die wirtschaftliche Stimulierung gelingt.
Es gilt, die gesteigerte Innovationsbereitschaft ohne Verkürzung von Abwägungs- und Aushandlungsprozessen zu nutzen. Die Corona-Krise erfordert deshalb mehr denn je eine gute Beteiligungskultur in den Städten. Neue Digitalformate eröffnen Chancen, diese weiter zu qualifizieren. Auch und gerade in der Krise wird deutlich: Kreativität und Engagement von Nachbarschaften in der Stadtgesellschaft bieten ein großes Potenzial zur nachhaltigen Entwicklung der Städte. Entscheidungsdruck darf nicht zum Verlust der Offenheit für Engagement aus der Stadtgesellschaft führen.
In einigen Bereichen hat die Corona-Krise den Handlungsdruck der Kommunen erhöht. Dies gilt in besonderem Maße für die Innenstädte, deren Funktionswandel sich durch zu erwartende Geschäftsaufgaben massiv beschleunigen wird. Auch die soziale Wohnraumversorgung wird als Folge der Pandemie zusätzliche Herausforderungen mit sich bringen. Schließlich zeigte die Pandemie, welch große Bedeutung einem ausreichenden Angebot an Grün- und anderen Freiräumen bei der wohnungsnahen Erholung zukommt. Das Konzept urbaner Dichte ist im Sinne einer doppelten oder sogar dreifachen Innenentwicklung zu denken. Urbanes Grün und eine neu gedachte Verteilung des öffentlichen Raums auf der Basis neuer Mobilitätskonzepte sind unverzichtbar. Die Städte sind gefordert und müssen handlungsfähig sein. Dies setzt eine ausreichende finanzielle Basis und die Bereitschaft zur Kreditaufnahme voraus. Vor allem müssen die in den letzten Jahren begonnenen Ansätze einer aktiven Liegenschaftspolitik konsequent weiterentwickelt und ausgebaut werden. Kommunale Investitionen in der Stadtentwicklung sind zugleich auch ein effektiver Motor zur schnellen Konjunkturbelebung. Denn die Kommunen tätigen über 50 Prozent der öffentlichen Investitionen. Das Konjunkturpaket des Bundes geht für die Kommunen – mit einigen Abstrichen – in die richtige Richtung, um aus dem konventionellen konjunkturpolitischen Dreiklang einen Vierklang im Sinne nachhaltiger Stadtentwicklung werden zu lassen: timely, targeted, temporary and transformative.
Der Beitrag ist im Difu-Magazin „Berichte“ 3/2020 erschienen.