Bewohnerparken in den Städten – wie teuer darf es sein?
Ein Beitrag von Uta Bauer und Tilman Bracher
Viele Städte ersticken im Verkehr. Insbesondere der Platzbedarf für parkende Autos wird zu einem zunehmenden Ärgernis. Die Zulassungszahlen für private Kfz steigen ungebremst, Fahrzeuge werden immer größer. Parkraumbewirtschaftung, d. h. die Einführung von Parkgebühren für das Kurzzeitparken, ist ein bewährtes Instrument, um das knappe und wertvolle Gut des öffentlichen Raumes steuern zu können. In sogenannten Parkraumbewirtschaftungszonen erhalten Anwohner*innen eine Ausnahmegenehmigung in Form eines Bewohnerparkausweises. Dessen Gebühr war jedoch bislang auf eine Höhe von max. 30,70 Euro pro Jahr gedeckelt (GebOSt Nr. 265). Ein Preis, der keine steuernde Wirkung entfaltet und inzwischen in vielen innerstädtischen Wohnvierteln dazu führt, dass die Ordnungsämter vor der Autoflut kapitulieren, Rettungskräfte kaum an ihren Einsatzort gelangen und Fußgänger*innen und Radfahrer*innen in ihrer Sicherheit gefährdet sind. Viele Städte im europäischen Ausland belegen inzwischen, dass es einen engen Bezug zwischen Parkraumbewirtschaftung und Verkehrspolitik gibt. Dort, wo die Parkplätze nicht umsonst sind, gehen Autobesitzer*innen häufiger zu Fuß, fahren Fahrrad oder nutzen öffentliche Verkehrsmittel und ersparen den Städten Parksuchverkehr, weil sich die Suche nach einem kostenfreien Parkplatz nicht lohnt.
Im internationalen Vergleich sind Kosten in Deutschland sehr gering
Die seit 1993 nicht mehr angepasste Gebührenobergrenze für das Bewohnerparken ist nun endlich gekippt. Der Bundesrat billigte im Juni mit Inkrafttreten zum 1.10.2020 einen Gesetzesentwurf des Bundestages, der nun die Landesregierungen ermächtigt, Gebührenordnungen für das Ausstellen von Bewohnerparkausweisen zu erlassen oder dies den Kommunen selbst zu überlassen. Selbst der Verband der Automobilindustrie (VDA) begrüßt die Reform und fordert, die Preise nach Einkommen zu staffeln. Auch der ADAC äußert sich zustimmend, da Kommunen jetzt besser auf örtliche Verhältnisse reagieren können. Bereits 2015 empfahl das Präsidium des Deutschen Städtetages, die Gebühren bis 200 Euro pro Jahr anheben zu können. Im internationalen Vergleich sind bislang die Kosten für einen Bewohnerparkausweis in Deutschland sehr gering (Wien: 120 bzw. 90 Euro p. a. je nach Bezirk, Marseille: 160 Euro, Zürich: 290 Euro, Amsterdam: 535 Euro, Stockholm 827 Euro).
Ermittlung der Gebührenhöhe
In vielen Städten beginnen nun die Diskussionen: Wie sollen die Gebühren zukünftig bemessen werden? Was ist gerecht, was ist stadt- und verkehrspolitisch sinnvoll? Im Straßenverkehrsgesetz heißt es jetzt in § 6a Absatz 5a Satz 3: „In den Gebührenordnungen können auch die Bedeutung der Parkmöglichkeiten, deren wirtschaftlicher Wert oder der sonstige Nutzen der Parkmöglichkeiten für die Bewohner angemessen berücksichtigt werden.“
Ein neuer Preis für das Parken vor der Haustür im öffentlichen Straßenraum kann über verschiedene Zugänge ermittelt werden. Orientierung für eine angemessene Höhe von Bewohnerparkausweisen bieten z.B. die verkehrspolitische Lenkungsabsicht, das Preisniveau benachbarter Parkhäuser, kommunale Herstellungs- und Unterhaltungskosten oder der Nutzen und Marktwert der Fläche (Bodenrichtwert).
Deutliche Unterschiede zwischen Städten unterschiedlicher Größe und Lage ergeben sich durch die Orientierung der Gebührenhöhe am wirtschaftlichen Wert der beanspruchten Fläche:
- Bodenrichtwerte, beispielhafte Kosten für einen 12m2-Parkplatz: München-Schwabing: 14.567 Euro, Lüneburg: 5.495 Euro, Schwerin: 5.066 Euro. Rein rechnerisch würde sich eine Jahresmiete (4% p.a., Kaufpreisfaktor 25) in München-Schwabing von 583 Euro p.a., in Lüneburg von 220 Euro p.a. und in Schwerin von 203 Euro p.a. ergeben.
- Herstellungskosten + Bewirtschaftung pro Parkplatz am Beispiel Berlin (Reinigung und Winterdienst) in Höhe von ca. 220 Euro p.a.
- Vergleich der Miete in benachbarten Sammelgaragen/Parkhäuser (München-Schwabing: 540 Euro/Monat, Lüneburg: 210 Euro/Monat, Schwerin: 65 Euro/Monat)
- Sondernutzungsgebühr für einen Marktstand in der Größe eines Parkplatzes (München: 18 Euro/Tag, Lüneburg: 14,40 Euro/Tag, Schwerin: 4,20 Euro/Tag)
Die Gebührenhöhe könnte sich aber auch an ihrer verkehrspolitischen Wirkung orientieren:
- 1 Euro/Tag, dem Signalpreis für Diskussionen im ÖPNV (365-Euro-Ticket)
Verschiedene Modalitäten mitdenken
Neben der Gebührenhöhe gibt es noch verschiedene andere Überlegungen zu berücksichtigen. Preisstaffelungen sind aus umwelt- und sozialpolitischen Gründen sinnvoll und lassen sich sogar miteinander koppeln. Das Fahrzeuggewicht ist ein Faktor, der in der Regel deutlich mit der Fahrzeuggröße und den Emissionen korreliert. Für Haushalte mit niedrigem Einkommen sind diese Fahrzeuge meist zu teuer.
Preisstaffelungen wären auch räumlich differenziert denkbar. In manchen dicht bebauten Gründerzeitquartieren kommen auf eine Grundstückslänge von vier Pkw-Stellplätzen 30 – 40 Wohneinheiten. Preiswerte Bewohnerparkausweise verwalten in diesen Wohnquartieren nur den Mangel, steuern können sie nicht. Einige Kommunen kontingentieren deshalb bereits die Vergabe der Bewohnerparkberechtigungen (nur ein Ausweis pro Haushalt) oder geben nur so viele Berechtigungen aus wie Stellflächen im öffentlichen Raum verfügbar sind. Die Vergabe wird dann an ein Windhundverfahren oder eine Warteliste gekoppelt. Bei all den unterschiedlichen Verfahren gilt es natürlich immer den Verwaltungsaufwand mitzubedenken.
Nicht zu vergessen ist obendrein, wie eine Gebührenanhebung kommuniziert wird. Ein Preis von einem Euro pro Tag dafür, dass das Auto vor der Tür geparkt werden darf, ist – gemessen an den allgemeinen Kosten für ein Auto und den Preisschwankungen an der Tankstelle – eher akzeptabel als die Verkündung einer Verzehnfachung der Gebühr. Auch die Verwendung der Einnahmen kann über die Akzeptanz maßgeblich mitentscheiden. Verschwinden die Einnahmen im allgemeinen kommunalen Haushalt, steht der Vorwurf der Abzocke im Raum. Die Einnahmen könnten jedoch auch zweckgebunden zur Finanzierung von multimodalen Mobilitätsstationen, von verlässlicheren und komfortableren Bussen und Bahnen, für sichere Fuß- und Radwege oder zur Refinanzierung der Überwachung von Verkehrsregeln genutzt werden.
Öffentlicher Raum ist wertvoll und hat seinen Preis
Deutlich wird, dass die Gebühr für einen Bewohnerparkausweis zukünftig von Kommune zu Kommune unterschiedlich hoch zu bemessen ist. Die Gebührenhöhe ist letztlich eine kommunalpolitische Setzung, die im Kontext stadt- und verkehrspolitischer Entwicklungsperspektiven getroffen werden sollte. Sie wird davon abhängen, welche verkehrspolitischen Maßnahmen aktuell umgesetzt werden (z.B. Ausdehnung der Parkraumbewirtschaftung, Ausbau der Radwegeinfrastruktur) und wie weit der Transformationsprozess einer Kommune im Hinblick auf die Verkehrswende fortgeschritten ist.
Aus verkehrspolitischer Sicht scheint in dichtbebauten Innenstädten ein Preis von 365 Euro pro Jahr oder 1 Euro pro Tag vertretbar zu sein. Gemessen am Marktwert der Fläche ist dieser Preis gering und dennoch hoch genug, um zum Nachdenken anzuregen, ob sich das sporadisch genutzte Auto noch rechnet. Höhere Gebühren für das Parken sind gerecht. Ging es den Städten in den 1980er Jahren noch darum, wohlsituierte Familien am Umzug ins Umland zu hindern, hat sich dieser Trend inzwischen umgekehrt. Immer mehr zahlungskräftige Haushalte drängen mit ihren Pkw in die Stadt. Gleichwohl ist die Sorge unberechtigt, dass viele Städte nun schlagartig diesen Preis aufrufen. Bei Veränderungen, die in die Alltagsroutinen der Bevölkerung eingreifen, empfiehlt es sich, Zeit zur Anpassung zu gewähren. Eine moderate und schrittweise Erhöhung innerhalb eines definierten Zeitraums wäre ein guter Kompromiss.
Attraktiver öffentlicher Raum ist der Nährboden einer lebendigen und urbanen Stadt. Die Akzeptanz für höhere Parkgebühren steigt, wenn parallel Ideen und Konzepte zur Umgestaltung und Nachnutzung der gewonnenen Flächen erarbeitet und zügig umgesetzt werden. So wird die gewonnene Lebensqualität erlebbar.
Dieser Beitrag ist in leicht gekürzter Form im Difu-Magazin „Berichte“ 3/2020 erschienen.