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Standpunkt

Corona-Krise und Nachhaltigkeit – Mut zur Zukunft

Corona-Pandemie und Klimanotstand bedeuten auch: Suche nach Lösungen, Wille zum Verändern und Gestalten nachhaltiger Lebenswelten. Politik und Gesellschaft, Kommunen und Wissenschaftseinrichtungen wie das Difu stehen in der Verantwortung.

Ein Beitrag von Busso Grabow

Ursprünglich sollte dies ein Standpunkt darüber werden, wie wir mit den Forderungen der jungen Menschen der Fridays-for-Future-Bewegung umgehen sollten. Wir, das sind die Verantwortlichen in Kommunen und Wissenschaft. Es sollte ein Beitrag über die Rolle von Wissenschaft werden, über die stärkere Übernahme von Verantwortung, über notwendige Radikalität im Denken und Tun und über Kommunikation von Krisenszenarien zu den Folgen des Klimawandels.

Wie irrelevant wäre aber ein Standpunkt in den Difu-Berichten im Frühjahr 2020, würde er sich nicht auf die größte Herausforderung der letzten Jahrzehnte beziehen, die Corona-Pandemie? Wir erleben einen Belastungstest der politischen Systeme und unserer repräsentativen Demokratie, der Kommunen und ihrer Einrichtungen, der Wirtschaftssysteme, des gesellschaftlichen Zusammenhalts, des Funktionierens von Institutionen, der Verwundbarkeit unseres Landes und der Widerstandsfähigkeit gegenüber Krisen.

Klimakrise und Corona-Krise: unterschiedliche Reaktionsmuster

Die Bedeutung von Wissenschaft und wissenschaftlicher Politikberatung rückt ins Scheinwerferlicht: Die Notwendigkeit, die Wissenschaft bei allen wichtigen Politikentscheidungen zu konsultieren und ihre Aussagen ernst zu nehmen, ist deutlicher als je zuvor. Wissenschaftler wie Professor Dr. Christian Drosten, Leiter der Virologie der Berliner Charité, werden zu Medienstars. Seine Podcasts erzielten innerhalb eines Monats mehr als 15 Millionen Abrufe. Wir lernen, dass die Messlatte für verantwortungsvolles Handeln darin besteht, wie wissenschaftliche Empfehlungen in konsequente Maßnahmen umgesetzt werden.



Wir lernen – oder hören erstmals bewusst zu –, dass menschheitsbedrohende Pandemien wie Corona, SARS oder Ebola verstärkte Folge der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen sind, so Prof. Dr. Johannes Vogel, Generaldirektor des Museums für Naturkunde Berlin oder die Forscherin und Nachhaltigkeitspreisträgerin Jane Goodall. Die Vor- und Nachteile der Globalisierung rücken uns wieder ins Bewusstsein: die gegenseitige Abhängigkeit, die Auswirkungen individuellen, lokalen, regionalen, nationalen und internationalen/globalen Handelns für die ganze Welt.

Und wir lernen etwas darüber, wie das System unserer einen Welt funktioniert: Wie Gesundheit, Klimawandel, sozialer Zusammenhalt und ökonomische Nachhaltigkeit eng zusammenhängen. Deutschland kann erzwungenermaßen innerhalb vergleichsweise kurzer Zeit noch die Klimaziele 2020 erreichen – dies als politischen Erfolg zu verzeichnen, wäre mehr als fragwürdig.



Wir stellen zugleich fest, dass die repräsentative Demokratie und ihre Institutionen auf staatlicher und kommunaler Ebene handlungsfähig sind, wenn es darauf ankommt. Die Regierung erhält für ihre Maßnahmen deutlichen Rückhalt in der Bevölkerung, Populisten und Fakten-Leugner verlieren Zuspruch, gesellschaftlicher Zusammenhalt funktioniert neu und anders. Wir sind verblüfft und positiv überrascht, welche Mittel die Bundesregierung und die Länder einzusetzen bereit sind, um die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Pandemie und der verordneten Einschränkungen des wirtschaftlichen Lebens abzumildern, welche zusätzlichen Mittel in die Medizinforschung gesteckt werden. Umgekehrt: Gerade erst gab es dramatische Kürzungen der Förderung für angewandte Energieforschung. Entgegen offizieller Bekenntnisse der Bundesregierung zu Klimaschutz und Energiewende hat die Regierungskoalition die Finanzmittel für angewandte Energieforschung – nachzulesen unter www.scientists4future.org – für die nächsten drei Jahre drastisch gekürzt. Klima- und Corona-Krise unterliegen offensichtlich ganz unterschiedlichen politischen Reaktionsmustern.

Wir messen mit zweierlei Maß

Wir reiben uns die Augen: Hohe Ordnungsstrafen werden in Zeiten der Corona-Krise von vielen akzeptiert und befürwortet. Wir erinnern uns, dass selbst moderate Erhöhungen von Flug- oder Benzinsteuern einen großen Aufschrei vieler Menschen erzeugt haben. Zweierlei Maßstab?

Text eines Tweets: "Ich bin jung, deswegen juckt mich das Corona-Virus nicht" ist der Zwillingsbruder von "Ich bin alt, deswegen ist mir der Klimawandel egal".

 

Wir verfolgen täglich die Zahlen der durch das Corona-Virus verursachten Sterbefälle in Deutschland (Stand 07.05.2020: 7.119), die das Dashboard des Robert-Koch-Instituts (RKI) ausweist. Dasselbe Institut schätzte in einem Bericht vom Juni 2019 die Zahl Hitzetoter im Sommer 2018 allein in Berlin und Hessen auf mehr als 1.200 (unzulässigerweise hochgerechnet wären es etwa 10.000 in Deutschland insgesamt). Besonders betroffen: Menschen über 75. Woran liegt es, dass solche Zahlen mit Bedauern zur Kenntnis genommen werden, Maßnahmen zur Reduzierung des CO2-Ausstosses und notwendige Verhaltensänderungen unverändert wenig Akzeptanz finden?



Die Antworten dazu sind vergleichsweise einfach: Wenn Ursache-Wirkungs-Beziehungen so offensichtlich sind, wie bei Corona, werden auch Einbußen, Beeinträchtigungen, sogar gewisse finanzielle Einschnitte akzeptiert: Abstand halten, Social Distancing, Verzicht auf Dienstreisen führen zu sichtbar zurückgehenden Infektionszahlen. Verändertes Verhalten von Menschen und Wirtschaftssubjekten in Bezug auf den Klimawandel hat zunächst keinerlei sichtbare und spürbare Wirkun­gen. Unsere Gehirne schaffen es nur intellektuell, die Gefährdung der eigenen Großeltern aufgrund des nächsten Hitzesommers mit dem eigenen CO2-Fußabdruck in Verbindung zu bringen. In das für Sozialverhalten zuständige Frontalhirn schaffen es diese Zusammenhänge selten.

Der Fokus auf Gesundheit und Klimawandel greift zu kurz

Die Corona-Pandemie überdeckt gerade die wichtigen Debatten des letzten Jahres: Klimawandel, Klimanotstand, Klimaanpassung, gesellschaftlicher Zusammenhalt. Wie weit diese Debatten Wirkung in den Köpfen der Stadtspitzen gezeigt haben, zeigt das aktuelle OB-Barometer des Difu: Noch zu Jahresbeginn sahen die Oberbürgermeister*innen den Klimawandel als das zentrale Zukunftsthema an. Die Fridays-for-Future-Bewegung mit ihren Forderungen an Politik, Verwaltung und Wissenschaft, aktiver, konsequenter, wirksamer zu werden, zeigte Wirkung. Nun muss sich zeigen, ob daraus auch sichtbare Resultate ent­stehen.



Allerdings wäre es unverändert zu kurz gedacht, nur noch Gesundheit und Klimawandel in den Vordergrund der gesellschaftlichen und politischen Debatten zu stellen. Die zentralen Herausforderungen für die Zukunft unseres Planeten sind wesentlich vielfältiger, wie es auch die Globale Agenda 2030 mit ihren 17 globalen Nachhaltigkeitszielen aufzeigt. Um das zu verstehen, muss man nicht erst die vielen Millionen von Toten heranziehen, die durch Armut (SDG 1), Hunger (SDG 2), Geschlechter- und sexuelle Diskriminierung (SDG 5), verunreinigtes oder verseuchtes Wasser (SDG 6) oder unzumutbare Arbeitsbedingungen (SDG 8) Jahr für Jahr sterben. Die Nachhaltigkeitsziele, denen fünf Kernbotschaften als handlungsleitende Prinzipien vorangestellt sind (Mensch, Planet, Wohlstand, Frieden und Partnerschaft) bedingen einander in vielfacher Hinsicht. Die Ausbreitung von Pandemien hängt mit dem Schutz natürlicherRessourcen (SDGs 13, 14, 15) genauso zusammen, wie mit Good Governance, starken Institutionen, globalen Partnerschaften sowie resilienten Städten und Gemeinden (SDGs 11, 16, 17) oder mit unserer Art zu wirtschaften und unserem Konsumverhalten (SDGs 8, 12).



Aus der Vogelperspektive wird deutlich, dass sich trotz Corona-Krise eigentlich wenig geändert hat, wenn wir die großen Herausforderungen der Menschheit in den Blick nehmen. Der „Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation“ zur Nachhaltigkeit (WBGU 2011) und der „Gesellschaftsvertrag für die urbane Transformation“ zur Nachhaltigkeit (WBGU 2016) sind unverändert notwendig, um besseres Leben in den planetaren Grenzen zu ermöglichen. Der normative Kompass für die (urbane) Transformation zur Nachhaltigkeit zeigt stabil in dieselbe Richtung.

Wir brauchen ein Nachhaltigkeits-Dashboard

Wir müssen aber bessere und vielleicht auch andere Geschichten erzählen, um möglichst viele zu motivieren, den Wandel mitzugestalten. Wir brauchen Politiker*innen mit dem Mut, Entscheidungen auch trotz großer Unsicherheit zu treffen. Der moralische Maßstab von Politik rückt vor dem Hintergrund gravierender ethischer Konflikte neu ins Blickfeld.



Wir brauchen Sichtweisen, die verschiedene Fach- und Wissenschaftsdisziplinen noch stärker integriert betrachten: Ökonomie, Verhaltenspsychologie, Hirnforschung, Soziologie, IT-Expertise und viele andere mehr. Und wir brauchen mehr Transdisziplinarität: Politik, Management, Umsetzungsebene, Wissenschaft, Unternehmen und Zivilgesellschaft müssen gemeinsam in ‚Reallaboren‘ von der nationalen bis zur lokalen Ebene die Transformation mit Leben füllen. Und nicht zuletzt brauchen wir mehr Informationen. Trotz mancher ambitionierter Projekte (UN- und EU-Indikatorensets, der Nationalen Berichtsplattform zu den SDGs, oder dem SDG-Portal für Kommunen) sind wir noch weit davon entfernt, mit wirklich validen und aussagekräftigen Indikatoren messen zu können, wie es mit der Nachhaltigkeit, mit der Umsetzung der SDGs in global, national, regional und lokal bestellt ist. Man stelle sich vor, es gäbe so etwas wie das Corona-Dashboard für all die mehr oder weniger ausgeprägten, oft lebensbedrohlichen Krankheitssymptome unserer Welt. All die­jenigen, die Verantwortung übernehmen müssen und wollen, müssten sich an den Entwicklungszahlen im Nachhaltigkeits-Dashboard messen lassen.

Kommunen als Orte der Transformation befähigen

Was heißt das für die Kommunen? Politik und Verwaltung haben in Pandemiezeiten in vielen Fällen beispielhaft agiert, sie haben Verantwortung übernommen, haben meist angemessen und transparent kommuniziert. Das Zusammenspiel von Bund, Ländern und Kommunen hat – bei mancher Kritik im Detail – in Zeiten der Krise gut funktioniert. Dabei legt die bedrohliche Entwicklung im Zeitraffer erneut ein klassisches Dilemma offen: In den Kommunen entscheidet sich, ob die Bewältigung der Corona-Krise gelingt. Gleichzeitig sind sie die aktuell Leidtragenden. Gewerbesteuereinnahmen brechen massiv weg, struktur- und finanzschwache Städte mit ihren schon heute stark beschränkten Handlungsmöglichkeiten stehen vor dem finanziellen Kollaps. Kommunen können kein Geld drucken, sie hängen am Tropf des staatlichen Finanzsystems. Durch ihre strukturelle Unterfinanzierung ist die kommunale Selbstverwaltung in vielen Städten und Gemeinden in Gefahr. So sind die schnellen Forderungen nach einem finanziellen Schutzschirm und besserer Unterstützung im Gesundheitssektor naheliegend und berechtigt.



Dabei verhält es sich mit der Corona-Krise nicht viel anders als mit der „Großen Transformation zur Nachhaltigkeit“ insgesamt. Die wie ein Mantra wiederholten Aussagen aus Politik und Wissenschaft „In den Städten und Gemeinden wird sich entscheiden, ob nachhaltige Entwicklung ein Erfolg wird“ sind genauso wahr wie die Schlussfolgerung zwingend ist: Ohne eine neue und bessere Befähigung der Kommunen, zu Orten der Transformation werden zu können, werden wir auch die nationalen und globalen Nachhaltigkeitsziele nicht erreichen. Kommunen müssen resilienter werden (SDG 11!), der Staat muss bessere Katastrophenvorsorge zur Vermeidung von Katastrophenrisiken auf lokaler und regionaler Ebene ermöglichen.

Ein „Aber“ darf an dieser Stelle nicht fehlen. Ob der Wille zur radikalen Veränderung hin zu mehr Nachhaltigkeit, zur Transformation auf kommunaler Ebene immer ausreichend vorhanden ist, muss bezweifelt werden. Selbst dort, wo sich Politik zu den Nachhaltigkeitszielen bekennt, muss gefragt werden, ob das ausreicht. Ein Beispiel: Klimanotstandskommunen im Klima-Bündnis verpflichten sich, ihre CO2-Emissionen alle fünf Jahre um zehn Prozent zu reduzieren und erheblich in Klimaanpassung zu investieren, ein ehrgeiziger Anspruch. Der Begriff „Klimanotstand“ wurde übrigens von der Fridays-for-Future-Bewegung entlehnt. Zweifellos leisten die meisten dieser Städte einen zusätzlichen Beitrag zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung und daher ist es nicht nur, wie vielfach kritisiert, reine „Symbolpolitik“. Politik und Verwaltung sind sich allerdings bewusst, wie begrenzt ihre Möglichkeiten sind, notwendige radikale Verhaltensänderungen auf allen Ebenen, in Wirtschaft und Zivilgesellschaft zu fördern. Vergleicht man die Einschränkungen, Strafandrohungen, Maßnahmenpakete und Investitionen, die derzeit zur Eindämmung der Pandemie getätigt werden, mit den klimabezogenen Aktivitäten, wird deutlich, wie unterschiedlich auch in den Kommunen „Notstand“ interpretiert wird.



Es braucht mehr von vielem: mehr Konsequenz im Denken und Tun, mehr Teilhabe und Beteiligung, mehr Kreativität (vgl. Policy-Brief des IASS) und nicht zuletzt eine bessere Finanzausstattung – und das nicht nur, wenn kommunale Institutionen Forderungen der Fridays-for-Future-Bewegung ernst nehmen und mehr Nachhaltigkeit wollen. Die Sorge, dass Bürger*innen nicht mitgehen ist unberechtigt, da Umfragen zeigen, dass die Menschen sich oft mutigere Politiker*innen wünschen, etwa bei der Bekämpfung des Klimawandels oder der Armut in unseren Kommunen. Mut gehört auch dazu, Subsistenz zum Thema machen: In der Mobilität sind autonome E-SUVs nicht die Lösung, sondern das Problem, die Erhöhung von Raumwiderständen kann in Pendlerregionen Wunder wirken. Die Corona bedingten Einschränkungen können uns vielleicht helfen, die Augen dafür (wieder) zu öffnen.

Radikaler denken

Auch das Difu muss und wird sich und seine Arbeit neu hinterfragen: Wie kann es adäquat auf die offenen Fragen, die sich durch die aktuelle Pandemie-Situation stellen, reagieren? Was bedeutet Fridays for Future für ein kommunales Institut an der Schnittstelle von Wissenschaft und Praxis? Gelingt es, die Bezüge zwischen der globalen Agenda und den krisenhaften Entwicklungen der ‚Jetzt-Zeit‘ überzeugend darzustellen und daraus wissenschaftlich fundierte Schlussfolgerungen abzuleiten?

Die Voraussetzungen dafür sind gegeben. Das Institut forscht und berät seit vielen Jahren zu Nachhaltigkeit, Transformation, Zukunftsstadt, Smart City, Klimaschutz und Klimaanpassung oder gesellschaftlichem Zusammenhalt. Wissen über Folgeabschätzungen, Wirkungsforschung und Transformationsnotwendigkeiten ist in großer Breite vorhanden. Für den Umgang mit Pandemien, dem Klimawandel und der Großen Transformation gilt es, wirkungsvolle Hebel zu erforschen. Dafür brauchen wir auch im Difu die verschiedensten Wissenschaftsdisziplinen. Wo solche Fachkenntnisse im Difu nicht vorhanden sind, müssen sie durch Kooperationen erschlossen werden.



Eine zentrale Forderung der Fridays-for-Future-Bewegung ist „Hört auf die Wissenschaft!“. Dabei wird verkannt, dass Wissenschaft – und damit auch das Difu – zwar viele fundierte Antworten geben kann, aber nicht den normativen und ethischen Kompass vorgeben sollte. Um Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft ihre Entscheidungen zu erleichtern, gilt auch für das Difu, in jeder Hinsicht den Komparativ zu leben: Es muss radikaler werden im Denken und in der Formulierung von Erkenntnissen, kreativer in der Erarbeitung von Lösungen, es muss die besseren „Geschichten“ erzählen, es muss aktiver formulieren und Akteur*innen benennen, es muss noch stärker interdisziplinär und transdisziplinär forschen, es muss sich mit seiner Forschung konsequenter in den normativen Rahmen der nachhaltigen Entwicklung, der globalen Agenda 2030 und der New Urban Agenda einordnen. Der Maßstab für Wissensaufbereitung und -transfer im Institut wird also sein, wie es gelingt, mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen Gehör zu finden, bei Verantwortungsträger*innen in Politik und Verwaltung, in der Fachöffentlichkeit und der allgemeinen Öffentlichkeit.

Mut zur Zukunft

Der Umgang mit aktuellen Krisen ist auch eine Frage der Sichtweise. Die Corona-Krise und der Klimawandel haben nicht nur eine Seite des Bedrohlichen und Unabänderlichen. Sie haben auch die Seite der aktiven Auseinandersetzung, der Suche nach Lösungen, des Verändern- und Gestaltenwollens. In Bezug auf die notwendige Große Transformation spricht Uwe Schneidewind von der „Zukunftskunst“ und meint damit die Kompetenz, „das Zusammenspiel von technologischen, ökonomischen, politisch-institutionellen und kulturellen Dynamiken in Prozessen der Großen Transformation zu verstehen und sie für das Projekt einer Nachhaltigen Entwicklung fruchtbar zu machen“.

Foto: ein Junge springt in hohem Bogen über eine Düne

 

Dabei geht es um kreative Prozesse. Wenn wir es positiv sehen, heißt es, dass wir die Generation sind, die den Wandel bewirken kann: Das Difu in seiner besonderen Rolle ist dabei mittendrin. Wir – die Kommunen und das Difu – dürfen und sollen sogar Lust haben, hier mitgestalten zu können: „Mut zur Zukunft“. Gleichzeitig müssen wir weg von Weltuntergangsszenarien, die noch nie Lust auf Veränderung gebracht haben. Sie führen eher zur Schockstarre und der Einstellung „ist ja eh alles egal“. Die Psycholog*innen wissen: Panik ist schlecht, ein gewisses Maß an Angst ist gut. Angst führt zu starker Aufmerksamkeits- und Leistungssteigerung, schärft die Sinne und führt zu Lösungswillen und einem der Bedrohungssituation angemessenen Verhalten.



Gerade in Zeiten der Corona-Krise gelingt es, Menschen trotz vieler Einbußen mitzunehmen. Wenn wir es darüber hinaus jetzt noch fertigbringen, positive Aspekte der Veränderung zu vermitteln, wie z.B. den Gewinn von „Qualitätszeit“, das zeitweise Verlassen des Hamsterrads, den Gewinn an Lebensqualität durch soziales Miteinander, dann birgt das große Chancen für die Zukunft.



Wenn nur ein Teil dessen, was durch die Notwendigkeiten der Corona-Krise innerhalb weniger Monate an Veränderungen passiert ist, auch nach dem Abklingen der Krisenerscheinungen in nachhaltigeres Handeln umgesetzt worden ist, – bei allen tragischen Folgen der Pandemie – so hat die Krise auch neue Chancen hervorgebracht: Entschleunigung, Rückfahren des Konsums und Einschränkung der Produktion manch überflüssiger Produkte, Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe, Verzicht auf Dienstreisen und Ersatz durch virtuelle Meetings, Stärkung des Gesundheitssystems und der Resilienz von Infrastrukturen und vieles andere mehr. Bleibt die Hoffnung, dass das nicht reines Wunschdenken ist.



Am Ende ist es nun doch ein Beitrag über die Rolle von Wissenschaft geworden, über die stärkere Übernahme von Verantwortung auf allen Ebenen, über notwendige Radikalität im Denken und Tun und über Kommunikation von Krisenszenarien – trotz, nein, gerade wegen Corona.

Dieser Beitrag erscheint in leicht gekürzter Form im Difu-Magazin „Berichte“ 2/2020.