Welche Mobilitätskonzepte helfen bei der Verkehrswende?
Inhaltlich passender hätte der Zeitpunkt für das Seminar kaum sein können: Die Koalitionsverhandlungen für eine neue Regierung erfolgten parallel in Berlin, vor allem aber warteten die Kommunen auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig zu den Sprungrevisionen von Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg gegen erstinstanzliche Entscheidungen der Verwaltungsgerichte Düsseldorf und Stuttgart. Fahrverbote konnten eine zulässige Folge werden, um die Immissionsgrenzwerte für Stickoxide in den Städten einzuhalten.
Die verschiedenen Vorträge verdeutlichten, dass es Bewegung im Akteursspektrum für eine Verkehrswende gibt. Überraschenderweise seien dafür aber weniger die mangelnde Luftqualität oder drohende Fahrverbote ursächlich.
Dr. Thomas Sauter-Servaes zeigte, dass insbesondere das Smartphone das Potenzial hat, Nutzergewohnheiten zu verändern und Geschäftsmodelle für Unternehmen zu ermöglichen. Ebenso wie Prof. Dr.-Ing. Felix Huber hob er jedoch hervor, dass die Effizienzversprechen der Digitalisierung nicht überschätzt werden dürfen. Die derzeitige, nicht ausgelastete Pkw-Flotte sei auch eine Art "Schatten-ÖPNV". Das Ziel lebenswerter Städte und Gemeinden könne nicht ein "Starbucks auf Rädern" sein.
Konkrete kommunale Erfolgsbeispiele machten die Handlungsmöglichkeiten sichtbar. Dr. Tina Wagner griff das breite Spektrum an Mobilitätskonzepten auf, die der Stadtstaat Hamburg anwendet. Er nutzt dabei auch die Möglichkeit der strategischen Kooperation mit verschiedenen Industriepartnern, um Lösungen zu erproben, etwa im Bereich des elektrifizierten Carsharings oder des Ridesharing.
Thomas Madreiter, Planungsdirektor der Stadt Wien, zeigte, wie eine Smart-City-Strategie als Hebel zur Erfüllung von CO2-Reduktionszielen dienen kann. Deutlich wurde: Die Probleme des Klimawandels müssen in den Städten gelöst werden. Madreiter plädierte für das Leitbild einer kompakten Stadt. In Wien funktioniert die Entkopplung von realer Fahrleistung und Bevölkerungswachstum. Ein effektives Instrument hierzu ist das 365-Euro-Jahres-Ticket für den ÖPNV.
Dr. Michael Münter aus Stuttgart befasste sich mit der für die Stadt aktuellen Frage von Verkehrsbeschränkungen. Als kurzfristige Maßnahme zur Senkung der Stickoxid-Emissionen wendet die Stadt das freiwillige Instrument des Feinstaubalarms an. Die Bereitschaft umzusteigen und das Auto stehen zu lassen, sei jedoch (noch) gering. Positiv entwickelt sich unter anderem das interkommunale Bikesharing-System in und um Stuttgart.
Nach weiteren positiven Beispielen aus der Region Hannover mit ihrem integrierten Verkehrsentwicklungsplan pro Klima und von dem Zukunftsnetz Mobilität NRW schloss das Seminar mit einer Podiumsdiskussion zum Thema "Car2go statt ‚Bus2wait‘? Wie sollen sich Kommunen und ÖPNV-Betriebe für die Verkehrswende aufstellen?".
Niels Hartwig, Referatsleiter im Bundesverkehrsministerium, Marion Jungbluth vom Verbraucherzentrale-Bundesverband, Dr. Volker Deutsch vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen und Dr. Münter diskutierten auf dem Podium und stellten sich den Fragen der Teilnehmenden. Sie zeigten sich ebenso optimistisch, dass eine Verkehrswende nun tatsächlich umgesetzt werden wird.
In dem Austausch wurde hervorgehoben, dass es weiterhin gelte, die ‚klassischen‘ Fragen der ÖPNV-Finanzierung anzugehen. Eine "vernünftige" Verkehrspolitik beinhalte auch restriktive Maßnahmen und sie fokussiere ebenso den Rad- und Fußverkehr. Nötig sei ein gesetzlicher Rahmen für die Funktionsmischung in der Stadt.