Foto: zwei Füße in roten Turnschuhen gehen eine Treppe hinauf
Forschung & Publikationen

So geht`s – Fußverkehr in Städten neu denken und umsetzen

Dem bisher eher vernachlässigten Thema Fußverkehr widmet sich ein neuer Difu- Sammelband. Er liefert einen fundierten Überblick, behandelt kontroverse Themen, präsentiert neue Forschungsergebnisse und bietet nachhaltige Lösungskonzepte an.

Zu Fuß gehen ist eine weitgehend unterschätzte Art der Fortbewegung. Aufgrund der geringen Distanzen, die zurückgelegt werden, wird er teilweise noch nicht einmal als Verkehr wahrgenommen. Spricht man vom Fußverkehr, erntet man in der Regel ein müdes Lächeln. In vielen Kommunen hat er noch nicht einmal eine eigene Zuständigkeit, sondern wird allenfalls „mitgedacht“. Zufußgehende sollen den fließenden motorisierten Verkehr möglichst wenig stören: Deshalb sprinten wir über Kreuzungen, nehmen weite Umwege bis zur nächsten Ampel in Kauf und quetschen uns auf engen Bürgersteigen vorbei an parkenden Autos.

Die stiefmütterliche Behandlung Zufußgehender verwundert angesichts der Bedeutung des Fußverkehrs. In den deutschen Städten ist im Durchschnitt jeder vierte Weg ein reiner Fußweg, in Kombination mit dem öffentlichen Verkehr hat er eine noch weitaus größere Bedeutung. Und immer mehr Städte entdecken die Attraktivität, die damit verbunden ist, wenn das Gehen mehr Raum bekommt. Die Stadt wird durch viele zu Fuß Gehende zum zweiten Wohnzimmer.

Der aktuell erschienene Sammelband „So geht`s – Fußverkehr in Städten neu denken und umsetzen“ greift diesen Trend auf. Die Veröffentlichung ist seit vielen Jahren die erste, die diese Art der Fortbewegung in den Mittelpunkt der Verkehrsplanung rückt. Dabei geht es um weit mehr als den reinen Transit von A nach B.

Zu Fuß Gehende haben keine „Knautschzone“ wie das Auto, sie reagieren sensibel auf alle Arten von Störungen wie Witterungseinflüsse, Lärm, Verschmutzung, schlechte Luft oder monotone Architektur. Zu Fuß zu gehen bedeutet, sich der Öffentlichkeit auszusetzen. Zu Fuß gehen macht aber auch gerade deshalb ungeheuren Spaß. Aktive Mobilität tut körperlich gut, ist gesund, entschleunigt, lässt auch die Gedanken einmal wandern, macht Zufallsbegegnungen möglich und verschafft Erlebnisse, die wir aus der Windschutzscheibenperspektive gar nicht wahrnehmen können.

Vielerorts gilt es jedoch, erst einmal im Straßenraum Platz zu schaffen. Denn der Bürgersteig gerät buchstäblich unter die Räder, sei es durch (illegal) parkende Autos, wild abgestellte E-Scooter, Leihräder oder durch Radfahrende. Der Schlüssel für die zunehmend unversöhnlich ausgetragenen Konflikte liegt genau neben dem Bürgersteig: auf dem Parkstreifen und der Fahrbahn. Denn sowohl dem fahrenden als auch dem ruhenden Verkehr steht in den Städten ein immenser Raum zur Verfügung, dessen Unantastbarkeit dringend in Frage gestellt werden sollte.

Und wer will, dass sich die Zufußgehenden – mit der umweltfreundlichsten Bewegungsform – die Stadt zurückerobern, muss aus Straßen und Plätzen Orte machen, die zum Gehen einladen. Zugige, verlärmte Straßenschluchten sind ein Angebot für Autos nicht jedoch für die Zufußgehenden. Wertschätzung vermitteln in diesem Zusammenhang auch kleinere Maßnahmen, zum Beispiel eine gelungene Beleuchtung, die in der dunklen Jahreszeit motiviert, zu Fuß zu gehen. Ein spektakuläres Beispiel für eine gelungene Fußverkehrsinfrastruktur wird in dem Sammelband am Beispiel der Stadt Rotterdam vorgestellt. Die als temporäres Projekt geplante dortige Luchtsingel- Brücke ist inzwischen aus der Stadt nicht mehr wegzudenken. Mit Crowdfunding finanziell unterstützt, verbindet die Brücke drei Stadtteile und ist für die ganze Stadt zu einem neuen Wahrzeichen geworden.

Der in der Edition Difu erschienene Sammelband gibt Kommunen Anregungen, wie der Fußverkehr konsequent gefördert werden kann. Er stellt aktuelle wissenschaftliche Ergebnisse zum Thema vor, beschreibt gute Beispiele aus dem In- und Ausland und macht deutlich, dass Fußverkehr ein Querschnittsthema ist. Die Verkehrsplanung muss den Fußverkehr daher ebenso im Blick haben wie die Architektur, den Städtebau, die Grünplanung oder die Gesundheitspolitik. Die vielen Beiträge kompetenter Autorinnen und Autoren bieten einen fundierten Einstieg ins Thema.

Blick in den Inhalt

  • Uta Bauer: Einführung und Zusammenfassung
  • Uta Bauer, Katrin Dziekan: Fußverkehr auf die politische Agenda holen – Geht doch!
  • Jürgen Gies: Gehen im Spiegelbild des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandels
  • Alena Büttner: Wer geht zu Fuß? Zusammenfassung der Ergebnisse der MiD 2017 zum Fußverkehr
  • Robert Follmer: Fußverkehr erfassen: Was bringt das Etappenkonzept?
  • Caroline Koszowski, Stefan Hubrich, Rico Wittwer, Regine Gerike: Was motiviert zum Zufußgehen? Literaturschau und ausgewählte. Ergebnisse einer empirischen Studie
  • Jörg Ortlepp: Wer kommt in den Städten wann, wo und warum unter die Räder?
  • Julia Jarass: Zufußgehen – Sicher durch die Stadt
  • Franciska Frölich von Bodelschwingh, Ricarda Pätzold: Rettet das Trottoir!
  • Ralf Kaulen: Fußverkehr in Gesetzen und Regelwerken – Novellierungsbedarf und Handlungsempfehlungen
  • Christian Scheler, Konrad Rothfuchs: Stadt der kurzen Wege – jetzt mal richtig!
  • Jörg Thiemann-Linden: „Ruhender Verkehr“: Sitzen und sich begegnen als städtisches Qualitätsmerkmal
  • Anke Tempelmann: Runter vom Sofa, raus aus dem Auto – die gesunde Stadt aus der Perspektive einer Krankenkasse
  • Katharina Csillak: Gesunde Straßengestaltung – die Londoner Healthy Streets als Handlungsrahmen
  • Wolfgang Aichinger: Straßenräume für Fußgängerinnen und Fußgänger gestalten
  • Michael Frehn, Philipp Hölderich: Fußverkehrs-Checks als partizipatives Instrument der Fußverkehrsförderung
  • Fragen an Friedemann Goerl, Fußverkehrsverantwortlicher der Stadt Leipzig: Leipzig auf dem Weg zu einer fußverkehrsfreundlichen Kommune
  • Juliane Böhmer: Nutzungskonflikte mit dem Radverkehr lösen – am Beispiel von Fußgängerzonen
  • Astrid Klimmer-Pölleritzer: Flaniermeilen für Wien
  • Anouk Klapwijk, Elma van Boxel, Kristian Koreman: Drei Stadtteile, eine Fußgängerbrücke und 10.000 Eigentümer
  • Fabian Sandholzer, Harald Frey, Alexandra Millonig, Florian Lorenz: Das räumliche Organisationsprinzip des Superblocks - eine Chance für die fußgängerfreundliche Stadt? Erfahrungen aus Barcelona und Wien

Weitere Informationen

Kontakt