Sicher im Quartier
Wer Kindern und Jugendlichen genau zuhört, stößt immer wieder auf Schilderungen über verunsichernde Erfahrungen im öffentlichen Raum. Es sind die „komischen Leute“ an der Unterführung, die dunklen und schlecht einsehbaren Ecken im Quartier oder der menschenleere Park auf dem Heimweg von der Freundin oder dem Freund an einem späten Winternachmittag. Kinder meiden solche Orte – mit der Folge, dass Unsicherheitserfahrungen ihre Lebenswelt einengen. Für Polizei, Jugendarbeit sowie Stadt- und Grünplanung gilt daher, sich intensiver mit den Sicherheitsbedürfnissen von Kindern und Jugendlichen im öffentlichen Raum auseinanderzusetzen.
Kinder und Jugendliche haben anderes Sicherheitsempfinden als Erwachsene
Das Sicherheitsempfinden von Kindern und Jugendlichen folgt jedoch häufig anderen prägenden Einflüssen als das von Erwachsenen: Geringere Körpergröße führt zu anderen Wahrnehmungen, fehlendes Wissen über Zusammenhänge führt zu anderen Ängsten, Erzählungen und mediale Einflüsse werden anders reflektiert. Daher ist es erforderlich, Kinder und Jugendliche direkt zu beteiligen und zu ihren Sicherheits- bzw. Unsicherheitserfahrungen zu befragen.
Bisher fehlten hierfür jedoch geeignete Methoden. Kriminologische Konzepte waren meist auf Erwachsene ausgerichtet oder räumlich zu ungenau. Lokale Beteiligungsinstrumente für Kinder und Jugendliche nahmen dagegen die Frage nach Sicherheit und Unsicherheit oft eher zufällig als gezielt in den Blick. Im Rahmen des Kooperationsprojekts INERSIKI – Instrumentenentwicklung zur Erfassung der raumbezogenen Sicherheitsbelange von Kindern und Jugendlichen – wurde diese methodische Lücke geschlossen. INERSIKI wurde in Zusammenarbeit mit der Zentralstelle für Prävention des Landeskriminalamts Berlin, dem Deutschen Institut für Urbanistik, der Universität Hildesheim (Institut für Psychologie) und dem Kinder- und Jugendbüro Steglitz-Zehlendorf durchgeführt und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) von 2019-2021 gefördert.
Forschungsprojekt INERSIKI schließt methodische Lücke
Die zehn vom Projektteam neu entwickelten Methoden für die präventiv ausgerichtete Polizei-, Planungs- und Jugendarbeit decken eine Bandbreite unterschiedlicher Perspektiven und Stile ab: Dabei findet sich der „klassische“ Fragebogen ebenso wie explorative Methoden wie „Kunstblick“ und „Solo Scouts“. Einige Methoden nutzen Stift und Papier, andere beinhalten einen großen Anteil an Bewegung und Erkundung. Methoden, die sich für ganze Schulklassen eignen, sind ebenso aufbereitet wie Konzepte, die allein, in Tandems oder Kleingruppen durchgeführt werden können. Das ermöglicht den Einsatz des Methodenangebots in vielen unterschiedlichen Settings: In der Schule, im Jugendclub, in der mobilen Jugendarbeit, im Rahmen der Quartiersentwicklung und der polizeilichen Prävention.
Die Methoden sowie Hintergrund, Hinweise und Tipps zu ihrer Anwendung sind in einem anwendungsorientierten Handbuch aufbereitet. Dieses Handbuch „Kinder und Jugendliche im Quartier – Handbuch und Beteiligungsmethoden zu Aspekten der urbanen Sicherheit“ gibt eine detaillierte Beschreibung der Methoden und weitere Hilfestellungen für eine wertschätzende Beteiligung sowie eine sensible Erfassung von subjektiver Sicherheit. Es ist kostenlos zum Download verfügbar. Außerdem bietet die Webseite weiteres Material, Anregungen und unterstützende Kopiervorlagen.
Beitrag aus: Difu-Magazin "Berichte" 3/2021