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Standpunkt

Empfehlungen der Baulandkommission werfen Licht und Schatten

Die Bundesregierung hat sich eine Agenda gegeben, die es im Sinne einer stärker am Gemeinwohl ausgerichteten Stadtentwicklung umzusetzen und weiterzuentwickeln gilt. Auch die Länder sind gefordert und müssen unterstützen.

 

Die Ergebnisse der Expertenkommission „Nachhaltige Baulandmobilisierung und Bodenpolitik – Baulandkommission“ des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) liegen seit dem 2. Juli 2019 vor. Angesichts der in vielen Ballungsräumen anzutreffenden Steigerungsraten bei Immobilienpreisen und Mieten und der daraus resultierenden Probleme vor allem bei der Bereitstellung von Bauland für die soziale Wohnraumversorgung und von Flächen für die öffentliche Infrastruktur (Schulen, Kitas, öffentliches Grün etc.), waren die Erwartungen an die Kommission hoch. Bereits im Vorfeld gab es einen intensiven Diskurs in der Fachöffentlichkeit mit der Forderung einer grundlegenden Neuaufstellung der Bodenpolitik. Das Deutsche Institut für Urbanistik hat sich hieran gemeinsam mit dem vhw – Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung maßgeblich beteiligt und mit der „Bodenpolitischen Agenda 2020-2030“ im Herbst 2017 einen Katalog von geeigneten Maßnahmen vorgeschlagen, um die Voraussetzungen für ein Umsteuern zu einer gemeinwohlorientierten Entwicklung unserer Kommunen zu schaff en. In der „Fachcommunity“ und auch bei den kommunalen Spitzenverbänden gab es ein  sehr breites Einvernehmen über Ziele und die erforderlichen Maßnahmen.

Die Baulandkommission greift diese Fäden auf. Das in der Präambel erfreulicherweise aufgeführte Bekenntnis zur Notwendigkeit einer stärkeren Gemeinwohlorientierung des Eigentums muss nun konsequent bei der Umsetzung der Empfehlungen aufgegriffen werden. Viele Vorschläge der Kommission gehen in die richtige Richtung. Der erhoffte große Wurf ist es aber nicht und war angesichts der heterogenen Interessenlage der Beteiligten auch nicht zu erwarten. Wenn beispielsweise von der Immobilienbranche stereotyp an dem Gedanken festgehalten wird, dass Deregulierung und weniger Staat die Lösung des Problems sind, zeugt dies von fundamentalen Zielkonflikten, denn gerade diese Rezepte sind in dem durch strukturelle Knappheit – Endlichkeit der Ressource Boden – geprägten Immobilienmarkt die Ursache für die festzustellenden Probleme und Handlungserfordernisse. Diesen Zielkonflikt wollten zumindest Teile der Koalitionsfraktionen bei der Formulierung des Kommissionsberichts nicht auflösen.

Zu begrüßen ist vor allem, dass der Kommissionsbericht eine aktive Boden- und Liegenschaftspolitik von Bund, Ländern und Kommunen einfordert. So wird eine Weiterentwicklung der Verbilligungsrichtlinie der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BlmA) und die Übernahme vergleichbarer Regelungen auch für andere Akteure (z.B. die Länder) vorgeschlagen. Die Bedeutung einer langfristig angelegten Bodenvorratspolitik durch die Kommunen wird herausgestellt. Finanzschwache Kommunen sollen dabei unterstützt werden, u.a. indem bestehende rechtliche Schranken angepasst werden. Erbbaurecht und Konzeptvergabe werden als wichtige Instrumente benannt. Deren gezielte Anwendung soll unterstützt werden. Auch das Erfordernis zum Ausbau von Personalkapazitäten und die Sinnhaftigkeit einer Fortbildungsinitiative werden reklamiert. Insgesamt werden damit zentrale Rahmenbedingungen für eine nachhaltige kommunale Bodenpolitik angesprochen und zahlreiche unterstützende Maßnahmen durch Bund und Länder benannt.

Auch zur Weiterentwicklung der nach dem Baugesetzbuch bestehenden kommunalen Handlungsmöglichkeiten fi nden sich im Kommissionsbericht Empfehlungen. Positiv ist hier vor allem die Einführung eines sektoralen Bebauungsplans herauszustellen. Auf der Basis eines solchen einfachen Bebauungsplans sollen Vorhabenträger auch bei Nachverdichtungsmaßnahmen in unbeplanten Innenbereichen („34er-Bereiche“) verpflichtet werden können, damit einen Anteil der Geschossfläche für den sozialen Wohnungsbau zu nutzen. Da ein Großteil des Baugeschehens sich in solchen Gebieten abspielt, kann auf diesem Wege ein wichtiger Beitrag zur Intensivierung des sozialen Wohnungsbaus geleistet und einer sozialen Entmischung entgegengewirkt werden. Diese gute Idee wird durch die vorgeschlagene Befristung dieses Instruments allerdings entwertet.

Auch die Empfehlungen, das kommunale Vorkaufsrecht weiterzuentwickeln und das bisher „stumpfe“ Baugebot im Sinne des Grundsatzes „Baurechte schaff en auch Baupflichten“ praxisgerechter auszugestalten, gehen in die richtige Richtung. Beim Vorkaufsrecht soll die Ausübungsfrist von zwei auf drei Monate verlängert werden. Auch die in der Fachdiskussion von verschiedener Seite vorgeschlagene Klarstellung, dass die  Wohnbedürfnisse der Gemeinde ein die Ausübung eines Vorkaufsrechts rechtfertigender Gemeinwohlgrund sein können, wird aufgegriffen. Weitergehende Vorschläge aus der Fachdiskussion, insbesondere die Schärfung des preislimitierten Vorkaufsrechts bleiben allerdings unberücksichtigt. Wie die empfohlenen Erleichterungen beim Baugebot konkret aussehen sollen, bleibt unklar. Die Einführung eines neuen Instruments zur Aktivierung dispers verteilter innerstädtischer Flächenpotenziale wird lediglich als Prüfauftrag aufgeführt. Dass Verschärfungen der Eingriffsmöglichkeiten der Kommunen in Eigentumsrechte dabei ausdrücklich ausgeschlossen werden, geht auf eine entsprechende Formulierung im Koalitionsvertrag zurück. Dies deutet auf eine gewisse Halbherzigkeit und einen möglicherweise noch auszutragenden politischen Konflikt.

Bewegung scheint es bei Hemmnissen für städtebauliche Entwicklungen in lärmvorbelasteten Gebieten zu geben. Im Bericht der Kommission wird ein Vorschlag des Bundesumweltministeriums (BMU) zur Einführung einer Experimentierklausel angesprochen. Beim Lärmschutz sollen Nutzungskonflikte zwischen Gewerbebetrieben und heranrückender Wohnbebauung besser bewältigt werden können. Wie diese konkret ausgestaltet werden sollten, bleibt allerdings off en. Vor allem wird dabei zu beachten sein, dass solche Änderungen nicht zu einer Verschlechterung der Umweltbedingungen in den Städten führen. Denn es muss vorrangig um die Gewährleistung guter, gesunder Lebensbedingungen gehen. Einige Empfehlungen gehen auch ganz an den sich aktuell vor allem in den stark wachsenden Ballungsräumen stellenden Erfordernissen vorbei, wie z.B. die Schaffung eines dörflichen Wohngebiets oder die Verlängerung der Geltung von § 13b BauGB. Wirkungen entfalten die genannten Regelungen vor allem in Regionen, in denen gar keine Engpässe bei der Baulandbereitstellung bestehen.

Leider gelingt es dem Kommissionsbericht nicht, eine konsistente politische Agenda zu beschreiben und gesetzesscharfe Empfehlungen zu formulieren, wo dies notwendig ist. Stattdessen viele gut gemeinte, aber unverbindliche „Überschrift en“, zum Teil auch Prüfaufträge. Ein grundlegender Zielkonflikt bleibt ungelöst: die Frage, in welchem Maße der Staat auf die Immobilienmärkte Einfluss nehmen muss. Wer weitere Verschärfungen der Eingriffsmöglichkeiten der Kommunen in Eigentumsrechte von vornherein ausschließt, stellt sich dieser Frage nicht ernsthaft.

Manche sinnvollen Maßnahmen sind gar nicht enthalten, und eine Priorisierung etwa mit Blick auf die Wirksamkeit der Instrumente findet nicht statt. Andere Maßnahmen, z.B. die Empfehlungen für den Außenbereich, lassen sich bestenfalls mit Wahlkreisinteressen von Abgeordneten im ländlichen Raum erklären. Möglicherweise versteckt sich hinter einem so abgefassten Bericht mehr Dissens als Konsens der Koalitionspartner. Für die angespannten Wohnungsmärkte wäre das eine schlechte Nachricht. Der Abschlussbericht ist ein politischer Bericht, der ohne die Fachleute beschlossen wurde, und deren Expertise und Einschätzung leider auch nicht mehr transparent ist.

Ein solcher politischer Bericht hätte aber die Chance geboten, gesetzesscharfe – also sehr konkrete – Empfehlungen auszusprechen und den notwendigen legislativen Prozess in den Koalitionsfraktionen zu präjudizieren und zu beschleunigen. Genau dies ist aber nicht gelungen. Angesichts der kurzen Restlaufzeit der Legislatur – wenn man die gesetzgebungsträge Wahlkampfzeit einrechnet – sind punktuelle Verbesserungen wohl wahrscheinlicher als „ein großer Wurf“.

aus: Difu-Magazin Berichte 3/2019