Curbside Management: Wer soll an die Bordsteinkante?
Für innovative Ansätze im Verkehrssektor haben sich deutschsprachige Begriffe oft nicht durchgesetzt, beispielsweise Park & Ride, Car Sharing oder Bike & Ride. Dazu kommt jetzt vielleicht Curbside Management.
Auf vielen innerstädtischen Hauptverkehrsstraßen geht es oft überhaupt nicht mehr um die Frage, wer am Bordsteinrand auf der Fahrbahn halten oder parken darf, sondern um die Anlage von Radfahrstreifen, Abbiegefahrbahnen oder Busspuren.
Mit den Verkehrszeichen der Straßenverkehrsordnung lässt sich das Halten und Parken vernünftig regeln lässt. So lassen sich Haltestellen und Taxistände anordnen, Halteverbote einrichten, um den Verkehrsfluss zu sichern oder E-Fahrzeuge zu bevorzugen, und Exklusivrechte für Behinderte, Lieferverkehr, oder Car Sharing-Fahrzeuge sichern. Privilegien lassen sich für die Benutzer von E-Ladestellen, Anwohner mit Parkausweis und in Gebieten mit Parkraumbewirtschaftung für Gebührenzahler oder Benutzer von Parkscheiben sichern. Vor allem in Großstädten kommen auch immer mehr verkehrsfremde Nutzungen (Parklets) oder Parkangebote für Fahrräder, Scooter und Motorräder und Leihradstationen. In Zukunft brauchen wir vielleicht sogar Flächen für autonome Autos und Shuttle-Busse, damit die Fahrzeuge nicht computergesteuert herumkurven, bis sie einen geeigneten freien Platz zum Warten aufs Ein- oder Aussteigen finden.
Auch neue Verkehrsangebote drängen an den Fahrbahnrand. Vor Corona waren die Shared Mobility-Angebote mit eTretrollern, Scootern, Fahrrädern und Autos zuletzt stark gewachsen, und „Mobility as a Service“ stand hoch Kurs. Sharing – und Poolingdienste bekommen gerade aus verkehrs- und klimapolitischen Gründen besondere Aufmerksamkeit, um den motorisierten Individualverkehr einzudämmen. Gerade für solche neuen Mobilitätsangebote ist der Zugang zur Bordsteinkante besonders wichtig, und erschwert den Marktzugang. Die herkömmliche Aufteilung des öffentlichen Bordsteinparkplatzes zwischen den Verkehrsträgern behindert integrierte Mobilitätskonzepte, die Umstellung auf nachhaltige Verkehrsträger und eine Zukunft mit autonomen Fahrzeugen. So wächst die Anzahl an Fahrzeugen und Unternehmen, die um den Zugang zur Bordsteinkante konkurrieren, derzeit viel schneller als die Möglichkeiten der Regulierung.
Ohne engagierte Kommunen, die bereit sind, den Platz am Bordstein für nachhaltige Mobilitätsmöglichkeiten zu reservieren, wird es keine Verkehrs- wende geben. Im Rahmen ihres Bordsteinmanagements sollten Kommunen Flächen statt für Privatfahrzeuge für Car Sharing-Angebote oder für Ein- und Aussteiger von Ride-Pooling-Diensten sichern. Kommunen sollten Curbside Management betreiben: als einen Rahmen, um die Konflikte zu verstehen und um die unterschiedlichen Bedürfnisse zu berücksichtigen und integriert zu lösen.
In Deutschland ist der Rahmen, um die Belegung der Bordsteinkante durch Verkehrszeichen zu regeln, durch die StVO und ihre VwV mehr oder weniger bundesweit einheitlich geregelt. In anderen europäischen Ländern oder in den USA haben die örtlichen Behörden dagegen einen größeren Handlungsspielraum. Obwohl die angebliche Privilegienfeindlichkeit der StVO immer wieder betont wird, können Kommunen auch in Deutschland bereits über Parkgebühren und die Gebührenhöhe beim Bewohnerparken entscheiden, und Fahrbahnflächen für öffentliche Verkehrsmittel und ihre Haltestellen, Taxistände, E-Ladesäulen, Car-Sharing-Fahrzeuge, Behindertenparkplätze und Fahrradstellflächen reservieren. Um den Zugang zum Bordstein systematisch steuern zu können, sollten auch die deutschen Städte die aus den USA stammende Idee des Curbside Management übernehmen.
Aus: Difu-Magazin Berichte 2/2021