Der Einsatz künstlicher Intelligenz ist auch für Kommunen attraktiv
Forschung und Entwicklung im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) haben in den letzten Monaten einen Quantensprung vollbracht. Im Fokus stand dabei vor allem das Sprachmodell GPT (Generated Pre-trained Transformer). Die im November 2022 veröffentlichte Version sorgte bereits unter Fachleuten für Furore, inzwischen sind Updates erschienen, die für viele Lebensbereiche hilfreiche digitale Unterstützung leisten. So können durch KI-gestützte Tools mittlerweile vielfältige Aufgaben erfüllt werden: Sie geben Bildinhalte als Text wieder, programmieren Websites samt Shop, schreiben Reden, recherchieren, entwickeln Konzepte, erstellen Präsentationen, kreieren täuschend echte Fotos und Videos, komponieren Musik, entwickeln Logos – der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Damit erbringen KIs Leistungen, die bisher allein dem menschlichen Denken und der menschlichen Kreativität vorbehalten schienen. Weltweite Beachtung erzielten jedoch auch durch KI geschaffene Fake-Fotos, die Papst Franziskus in hipper Daunenjacke oder vor der Polizei flüchtend zeigten und in den sozialen Medien schnell viral gingen. Und damit wird auch eines der großen Risiken der KI deutlich: Wie unterscheidet man Original und Fälschung – und welche Folgen kann es haben, wenn man Fake-News für Wahrheit hält?
Aufmerksamkeit erfahren aktuell aber auch die KI-Entwickler und -Finanziers selbst: Einerseits fordern prominente Fachleute der – insbesondere US-amerikanischen – Tech-Elite eine Entwicklungspause für KI-Tools. Denn es besteht Unklarheit und Sorge über möglicherweise negative und unumkehrbare Folgen der sich exponentiell entwickelnden Systeme. Andererseits positionieren sich führende KI-Entwickler bereits im globalen Zukunftsmarkt der künstlichen Intelligenz. Die Grenze zwischen Fragen ethischer Verantwortung und knallharten wirtschaftlichen Interessen verschwimmt hierbei zunehmend.
Künstliche Intelligenz – Schlüssel- und Risikotechnologie zugleich
Erstaunlich ist nicht allein die Dynamik der technologisch-wirtschaftlichen Entwicklung, sondern auch die Veränderung in der Debatte um KI. Noch bis vor einigen Monaten wurde in Fachaufsätzen zum Thema stets darauf verwiesen, dass die Nachahmung oder gar Überflügelung menschlicher Intelligenz im Sinne einer „starken KI“ eher ein hypothetisches Zukunftsszenario darstellen würde. Während aktuell die Frage im Raum steht, ob die Weiterentwicklung mächtiger KI-Systeme eigentlich noch verantwortbar ist, solange wir uns nicht sicher wähnen können, dass ihre Effekte für die Menschheit positiv und die Risiken beherrschbar sind.
Klar scheint nur zu sein, dass KI enorme Potenziale aber eben auch außerordentliche Gefahren birgt, wobei wie bei jeder Technologie das größte Risiko der Mensch selbst ist. Die entbrannte Wertedebatte ist daher von hoher Dringlichkeit, wie dies auch der Deutsche Ethikrat in seinem jüngsten Gutachten deutlich macht. Existierende Initiativen, wie die KI-Strategie der Bundesregierung oder der von der EU-Kommission geplante einheitliche Rechtsrahmen für die Nutzung von KI, müssen der sprunghaften Entwicklung Rechnung tragen.
In den Kommunen werden zunehmend Anwendungen künstlicher Intelligenz eingesetzt
Künstliche Intelligenz steht für Technologien und Anwendungen, die eine zentrale menschliche Eigenschaft nachvollziehen: Die Fähigkeit wahrzunehmen, zu analysieren und auf Vernunft basierende Entscheidungen zu treffen. Der Schlüssel dazu ist „maschinelles Lernen“, welches auf der Basis von Massendaten – Big Data – verknüpft mit automatisierten statistischen Methoden in der Lage ist, Muster zu erkennen, Modelle zu erfassen und zu erlernen. Ein Teilbereich des maschinellen Lernens ist das „Deep Learning“, bei dem künstliche neuronale Netzwerke anhand riesiger Datenmengen lernen.
Losgelöst von der aktuellen Auseinandersetzung um starke KI – die sich menschlicher Intelligenz annähern oder sie sogar überflügeln – haben Anwendungen einer „schwachen KI“ – Beispiele hierfür sind Bild- und Spracherkennung, Navigations- und digitale Assistenzsysteme – längst Einzug in unseren Alltag gehalten und sind selbstverständlich. Dies zeigt sich auch in den Kommunen, wo der Einsatz künstlicher Intelligenz und selbstlernender Algorithmen auf Basis komplexer Datenmengen in Echtzeit mit dem Terminus der Smart City zum Ausdruck gebracht werden soll. Effizienzgewinne im Verwaltungshandeln können beispielweise durch die verbesserte Analyse von Daten, Dokumenten und Prozessen erreicht werden. Die Interaktion mit den Bürgerinnen und Bürgern könnte durch KI-gestützte Behördenplattformen, Online-Bürgerservices oder Dialog-Assistenzssysteme dienstleistungsorientierter gestaltet werden. E-Partizipationsplattformen, Community-Apps bis hin zu Formen der Augmented (erweiterten) und Virtual Reality erweitern das Spektrum von Beteiligungs- und Kommunikationsformaten etwa dadurch, dass unterschiedliche Zielgruppen benutzerspezifisch angesprochen werden können. Stadtentwicklung und Stadtplanung können durch die automatisierte Durchforstung und Verschneidung von Datenbeständen sowie Mustererkennung in großen Datenmengen eine bessere Entscheidungsgrundlage erfahren. Ansinnen der Bürgerinnen und Bürger können durch eine KI-gestützte Strukturierung von Stellungnahmen besser berücksichtigt werden.
Digitale Zwillinge – virtuelle Repräsentationen physischer Objekte im Netz – können eine Inspirationsquelle für kreative Entscheidungsprozesse sein, da sich darüber planerische Vorhaben und notwenige Prozessabläufe abbilden lassen. Im Bereich der öffentlichen Sicherheit zeigen sich Möglichkeiten der sensorgestützten Steuerung und Überwachung. Besonders bedeutsam ist der Einsatz von KI bereits heute im Bereich der Mobilität, wenn es um die Zustandsbewertung von Straßen oder die Verkehrsflussanalyse und -prognose geht. Künftig werden der automatisierte Personennahverkehr oder auch intelligente Verkehrssysteme eine größere Rolle spielen. Im Energiebereich wiederum geht es vor allem um eine bessere Steuerung bidirektionaler Energieflüsse einschließlich notwendiger Speichersysteme oder auch die Kommunikation von öffentlichen Energienetzen und Gebäudetechnik.
Sinnvolle KI bedarf der Erprobung und Bewertung
Welcher Einsatz von KI-Systemen im Einzelfall sinnvoll ist, bedarf der Abwägung vor dem Hintergrund der örtlichen Gegebenheiten. Manche Anwendung mag sich in der Erprobung als nicht sinnvoll erweisen, andere Anwendungen dürften die Lebensqualität in unseren Städten nachweisbar verbessern. Herausforderungen bestehen etwa in Hinblick auf mögliche diskriminierende Effekte bei der Auswahl von Algorithmen und damit verbunden der Transparenz und Nachvollziehbarkeit von Entscheidungs- und Optimierungsprozessen sowie im Bereich von Monitoring und Evaluation. Besondere Sorgfalt bei der Automatisierung ist auch in Hinblick auf den Betrieb kritischer Infrastruktur gefragt (Stichwort: Cybersicherheit).
Die Frage nach dem geeigneten politischen oder rechtlichen Ordnungsrahmen, kann daher nicht allein auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene beantwortet werden. Sie bedarf gerade vor Ort, wo KI lebensnah erfahrbar wird, der intensiven Auseinandersetzung. So wie generell die Digitalisierung nicht allein eine Frage des technisch Möglichen, sondern vor allem auch eine der individuellen, organisationalen und gesellschaftlichen Haltungen und Einstellungen zum Einsatz digitaler Tools ist, so gilt dieses auch für den Einsatz von KI. Für die Kommunalverwaltungen und Bereiche der Daseinsvorsorge bieten die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten erhebliche Entlastungspotenziale. Wenn zeitintensive Routineaufgaben vermehrt auch maschinell erledigt werden, schafft dies Freiräume im Personaleinsatz. Zugleich ist zu erwarten, dass sich die Problemlösungsfähigkeiten von Fachreferaten wie der Stadtplanung durch Verfahren des maschinellen Lernens deutlich erhöhen.
Mögliche Risiken des KI-Einsatzes frühzeitig berücksichtigen
Für eine erfolgreiche Nutzung von KIs in Kommunen sind eine Reihe von Grundvoraussetzungen nötig: die Öffnung digitaler Datenbestände in maschinenlesbaren Formaten, die Gesamtbetrachtung des Konzerns Stadt als digitales Ökosystem, eine gelebte kommunale Daten-Governance (inkl. Daten-ethischer Leitlinien und Open Data), der Aufbau von Datenplattformen mit Standards und Schnittstellen, der Ausbau von Daten- und KI-Kompetenzen sowie ganz generell eine Kultur der Offenheit für digitales Verwaltungshandeln unter Einsatz von KI. Dies schließt notwendigerweise eine kritische Reflexion der mit der Nutzung von KI einhergehenden Risiken und Herausforderungen ein. Es bedarf eines Umgangs damit, dass sich Berufsbilder in den Verwaltungen oder auch den kommunalen Betrieben verändern. Den Umschulungs- bzw. Weiterbildungsbedarf gilt es daher frühzeitig zu erkennen. In Bezug auf Stadtplanung muss es darum gehen, die Auswirkungen von immer mehr Sensorik und algorithmisch gesteuerten städtischen Prozessen auf die gebaute Stadt genauer zu verstehen. Mit Blick auf die Politik stellt sich wiederum die Frage, wie immer mehr verfügbare Echtzeitinformationen einerseits, und die wachsende Gefahr von im öffentlichen Diskurs nicht mehr klar erkennbaren Grenzen von Wissen und Fehl- bzw. Falschinformation andererseits, die Arbeit im Stadtrat oder Fachausschüssen beeinflussen wird.
Vorabveröffentlichung des im Difu-Magazin Berichte 2/2023 erscheinenden Textes.