In allen Größen! Stärkung von Pflegekindern und ihren Familien
Aktuelle Beiträge zur Kinder- und Jugendhilfe, Bd. 108, 2017, DINA4, deutsch, 192 S.
Inhalt
Wie die Qualitätsentwicklung in der Pflegekinderhilfe befördert werden kann, war Gegenstand eines bundesweiten Erfahrungsaustauschs. Sowohl strukturelle als auch kindbezogene Aspekte des Pflegekinderwesens wurden thematisiert und diskutiert - dies vor dem Hintergrund der Reform des SGB VIII, die im Zuge eines wirksameren Schutzes von Kindern die Pflegekinder und ihre Familien stärken soll, und mit dem Bewusstsein, dass gelebte Haltungen der Fachkräfte wichtiger sind als Methoden und Instrumente.
Im Einzelnen standen folgende Aspekte im Mittelpunkt:
- Unterstützung, Beratung und Begleitung von Herkunftsfamilien: Einbeziehung von Geschwistern, ambulante Hilfen für Familien, in denen – übergangsweise – keine Kinder mehr sind, Stärkung der Erziehungskompetenz der Herkunftseltern;
- Unterstützung, Beratung und Begleitung von Pflegefamilien: Stärkung der Pflegeverhältnisse in allen Facetten;
- Perspektivklärung mit Pflegekindern und Kontinuitätssicherung von Pflegeverhältnissen;
- Stärkung der Beteiligungsrechte von Pflegekindern: Einbeziehung des Kindes/des Jugendlichen in alle Entscheidungen, z. B. auch in Bezug auf die Frage der Rückführung;
- Stärkung von Pflegekindern, die erwachsen werden (Care Leaver): Was brauchen diese im Übergang zur Verselbstständigung, was können Fachkräfte für ihre Arbeit von ihnen lernen?
Die Weiterentwicklung der Pflegekinderhilfe unter dem Blickwinkel der SGB-VIII-Reform und der Fachpraxis
Diana Eschelbach (IGfH) stellte in ihrem Vortrag über die Weiterentwicklung des Pflegekinderwesens mit Blick auf die SGB-VIII-Reform die Aktivitäten des Dialogforums Pflegekinderhilfe als Unterstützungsgremium für den Reformprozess vor sowie dessen grundlegende Forderungen aus Sicht der Fachpraxis:
- Vermeidung von weiteren Brüchen in der Biografie der Pflegekinder,
- qualifizierte Hilfeplanung,
- Stärkung der Arbeit mit den Herkunftseltern im Interesse des Kindes,
- verpflichtende Beteiligung von Kindern,
- nachhaltige Begleitung junger Menschen im Übergang (Careleaver),
- soziale Absicherung der Pflegepersonen,
- Einführung verbindlicher Qualitätsstandards.
Dr. Christian Erzberger (Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung) widmete sich der Weiterentwicklung der Pflegekinderhilfe mit Blick auf die Praxis und verwies u.a. darauf, dass unterschiedliche Pflegearten (allgemeine, sozialpädagogische und sonderpädagogische Vollzeitpflege, Bereitschaftspflege, Verwandten- und Netzwerkpflege, Gastfamilien für UMF usw.) unterschiedlichen Arbeitsaufwand und unterschiedliche Abläufe verlangen. Danach müsse sich die Fallzahlen- und Personalbedarfsplanung richten.
Drei Blitzlichter und mehrere Workshops zeigten gelungene Beispiele, aber auch Herausforderungen der kommunalen Praxis.
„Good-Will-Lösungen“ für Pflegekinder mit Behinderungen?
Gila Schindler, Fachanwältin für Sozialrecht, und Kerstin Held, Bundesverband behinderter Pflegekinder e.V., verdeutlichten anhand von Beispielen aus dem eigenen Erleben, dass es angesichts fehlender Rahmenbedingungen, ungelöster Rechtsfragen und weiterer besonderer Probleme für Pflegekinder mit Behinderungen und ihre Familien noch sehr viel zu tun ist und Zusatzleistungen notwendig sind. Diese werden konkret benannt.
Sind wir uns tatsächlich darüber einig, dass Pflegefamilien Familien sind?
Prof. Dr. Klaus Wolf (Universität Siegen) plädierte nachdrücklich dafür, Pflegekinder als Kinder und Pflegefamilien als Familien zu betrachten, deren Autonomie, Privatheit sowie deren Vielfalt in Bezug auf Familienformen und Rollenidentitäten zu berücksichtigen sei, und nicht als Organisationen. Fachkräfte sollten das lebensweltliche Wissen und die lebenspraktische Kompetenzen der Pflegefamilien respektieren und daran anknüpfen.
Eröffnung
WOLFGANG TREDE, Amt für Jugend, Landkreis Böblingen
Die Weiterentwicklung der Pflegekinderhilfe mit Blick auf die Reform des SGB VIII
DIANA ESCHELBACH, Kompetenzzentrum Pflegekinder/IGfH, Dialogforum Pflegekinderhilfe, Berlin
Die Weiterentwicklung der Pflegekinderhilfe mit Blick auf die fachliche Praxis
DR. CHRISTIAN ERZBERGER, Gesellschaft für Innovative Sozial-forschung und Sozialplanung e. V., Bremen
Drei Blitzlichter aus der kommunalen Praxis als Beispiele für Qualitätsentwicklung in der Pflegekinderhilfe mit einem besonderen Alleinstellungsmerkmal
(1) Qualitätsentwicklung nach § 79a SGB VIII im Handlungsfeld der Familiären Bereitschaftsbetreuung (Bereitschaftspflegefamilien)
ANDREAS SAHNEN, Jugendamt Düsseldorf
(2) Elternberatung in der Stadt Bremen
JUDITH PÖCKLER-VON LINGEN, PiB - Pflegekinder in Bremen gGmbH
(3) Beteiligungskonzepte im Landkreis Böblingen
WOLFGANG TREDE, Amt für Jugend, Landkreis Böblingen
Kinder mit besonderen Bedürfnissen - sind auch Kinder mit Behinderungen in Pflegefamilien
KERSTIN HELD, Bundesverband behinderter Pflegekinder e. V., Papenburg;
GILA SCHINDLER, sojura Kanzlei für soziale Sicherheit, Heidelberg/Aktionsbündnis für Kinder mit Behinderungen in Pflegefamilien e. V.
Weil Pflegefamilien Familien sind …
Herausforderungen und Aufgaben in der deutschen Pflegekinderhilfe
PROF. DR. KLAUS WOLF, Universität Siegen
Arbeitsgruppen zu Methoden und Verfahren in der Pflegekinderhilfe
- „Wurzeln erhalten … Elternarbeit, Beratung und Begleitung von Herkunftseltern“ -
ALEXANDER MASLANKOWSKI und HEIKE WINKELMANN, Projekt PETRA GmbH & Co. KG, Schlüchtern - „Stabilität in die (neue) Familiensituation bringen! Perspektivenplanung, wie geht’s?“
HELGA HEUGEL, Jugendamt Stuttgart - „Verwandtenpflegefamilien, … so bunt wie das Leben! Ein praxiserprobtes Konzept und Verfahren, Lösungsideen von Familien anzuerkennen, zu begleiten und zu fördern“
SABINE REICHERT und ANDREAS SAHNEN, Jugendamt Düsseldorf - „Chancen erhöhen, Risiken mindern! Eine professionelle und empathische Begleitung entlastet Pflegefamilien, damit sie leichter ‚Familie‘ sein können. Geeignete Methoden und Settings helfen den Fachkräften“
SABINE SIMON, PiB - Pflegekinder in Bremen gGmbH - „Ein (neuer) familiärer Anker auf Zeit? Leben in Gastfamilien mit unbegleiteten minderjährigen Jugendlichen“
MONIKA BECK und WOLFGANG TREDE, Amt für Jugend, Landkreis Böblingen - „In allen Größen! Entwicklung von Akquise-Strategien und innovative Öffentlichkeitsarbeit im Rahmen eines Qualitätszirkels im Jugendamt“
KLAUS RÖTTGEN und MARTINA SÜßMUTH, Amt für Kinder, Jugend und Familie der Stadt Köln
Aus Sicht der Kinder - Arbeitsgruppen zu kindbezogenen Aspekten in der Pflegekinderhilfe
- „Beteiligung , aber wie? Partizipation in echt von westfälischen Pflegekindern.
Hilfeplan(gespräche), Gruppenangebote, Vormund …“
JENS KALPEIN, Verbund sozialtherapeutischer Einrichtungen e. V. (VSE), Münster - „In Kontakt bleiben! Beziehungsgestaltung zu den leiblichen Eltern und Geschwistern“
STEFANIE DÖRRE, Amt für Kinder, Jugend und Familie, Landkreis Dahme-Spreewald, Lübben - „Das alles bin ich, das alles gehört zu mir. Biografiearbeit mit Pflegekindern“
HEIDRUN SAUER, Kompetenzzentrum Pflegekinder e. V., Berlin - „Lasst uns nicht allein! Hilfe(n) zur Verselbstständigung für Pflegekinder“
ASTRID STAUDINGER, „Careleaver Kompetenznetz“ bei der Familien für Kinder gGmbH, Berlin - „Wie geht es uns Kindern? Wie erleben leibliche Kinder und weitere Pflegegeschwister in der Pflegefamilie hinzukommende Pflegekinder?“
DR. CARMEN THIELE, PFAD - Bundesverband der Pflege- und Adoptivfamilien, Berlin
Literaturhinweise
Die Tagung wurde vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.