Standards im öffentlich gefördertern Wohnungsbau: ein deutsch-französischer Vergleich

Standards im öffentlich geförderten Wohnungsbau Ein deutsch-französischer Vergleich im Rahmen des EUROREX-Programms Wohnungspolitisch sind sowohl Frankreich als auch Deutschland mit der schwierigen Aufgabe konfrontiert, insbesondere in den Ballungsgebieten die Wohnungsversorgung der Bevölkerungsgruppen mit niedrigen Einkommen zu sichern. Hierzu sind entgegen der ansonsten starken Liberalisierungsbestrebungen weiterhin staatliche Eingriffe erforderlich.
Standards im öffentlich geförderten Wohnungsbau

Ein deutsch-französischer Vergleich im Rahmen des EUROREX-Programms

Wohnungspolitisch sind sowohl Frankreich als auch Deutschland mit der schwierigen Aufgabe konfrontiert, insbesondere in den Ballungsgebieten die Wohnungsversorgung der Bevölkerungsgruppen mit niedrigen Einkommen zu sichern. Hierzu sind entgegen der ansonsten starken Liberalisierungsbestrebungen weiterhin staatliche Eingriffe erforderlich.

Deshalb behält der Sektor des öffentlich geförderten Wohnungsbaus in beiden Nationen eine große Bedeutung. Hierbei kann in Deutschland auf einen größeren Sozialwohnungsbestand zurückgegriffen werden: Am Bestand der Mietwohnungen machen Sozialwohnungen in Deutschland 66% und am gesamten Wohnungsbestand 26% aus (in Frankreich sind das 46% und 17%); auf 1000 Einwohner entfallen in Deutschland 99, in Frankreich 67 Sozialwohnungen. Ein grundlegender Unterschied besteht jedoch darin, daß hierzulande die Sozialbindung zeitlich begrenzt ist, die öffentlich geförderten Wohnungen in Frankreich dagegen auf Dauer den Status "Sozialwohnung" behalten.

1989 wurde in Frankreich das Programm EUROREX (Programme de Recherches et Expérimentation entre Partenaire Européens) aufgelegt, um die Zusammenarbeit zwischen Fachleuten aus Frankreich und anderen europäischen Ländern in allen Bereichen des Bauwesens zu fördern. Den Geschäftsführern zweier großer Wohnungsunternehmen - in Berlin der GSW (Gemeinnützige Siedlungsgesellschaft Berlin mbH) und in Paris der LOGIREP (Logement et Gestion Immobilière pour la Région Parisienne) - gelang es, im Rahmen dieses Programms ein deutsch-französisches Vergleichsbauvorhaben (vgl. Tabelle) in Berlin und in Fontenay-sous-Bois, einer selbständigen Gemeinde mit 51000 Einwohnern im Südosten von Paris, zu realisieren.

Ausgewählte Daten zu den Projekten im Vergleich


Berlin-Spandau Fontenay-sous-Bois

Grundstücksgröße 4,201 m

2

6,205 m

2

Bauantrag 8/1992 7/1992; 11/1993

*

Baubeginn 10/1993 11/1994
Erstbezug 3/1995 4/1996
Zahl der Wohngebäude zwei drei
Zahl der Wohnungen 43 53
Wohnungsgröße im Durchschnitt 74,2 m

2

69,5 m

2

Anteil 3-u.m.-Zimmer-Wohnungen 56% 72%
Grundstückskosten pro m

2

1.219 DM 397 DM
Baukosten pro m

2
Wohnfläche

3.477 DM 2.115 DM
Gesamtkosten 22,1 Mio. DM 11,5 Mio. DM
Dauer Miet-/Belegungsbindung min. 30/18 Jahre

**

32 J.

***
/unbefristet


*

Nachträglicher Bauantrag für die zwischen Gemeinde und Architekten umstrittenen Fassaden

**

Entsprechend unterschiedlicher Förderungsbedingungen in Berlin: 1. Förderweg (4 WE) / "vereinbarte Förderung" (39 WE)

***

Acht Wohnungen im Rahmen der Arbeitgeberförderung

In einer Bauzeit von 23 Monaten entstanden im Berliner Bezirk Spandau 43 Wohnungen in zwei Mehrfamilienhäusern als Ergänzungsbauten zur Großsiedlung Falkenhagener Feld. Beim Wohnungsbauprojekt in Fontenay-sous-Bois handelt es sich um die Wiedernutzung einer ehemals als Fabrikgelände genutzten Fläche im historischen Zentrum der Stadt. In einem Zeitraum von 18 Monaten wurden hier drei Mehrfamilienhäuser mit 53 Wohnungen und 390 m

2
Ladenfläche gebaut.


Projekt in Fontenay-sous-Bois, Haus1, Westfassade

Am Beispiel dieser beiden EUROREX-Projekte wurde begleitend untersucht, wie sich der ursprünglich auf gleichem Basiskonzept beruhende Entwurf durch national unterschiedliche Förderkonditionen, technische Richtlinien, Auflagen der Bauaufsichtsbehörden, Genehmigungspraktiken, Bauablauforganisation usw. im Verlauf der Umsetzung verändert hat. In Paris übernahm das Bauministerium die finanzielle Unterstützung für den französischen Projektteil, in Berlin förderte die Investitionsbank Berlin (IBB, ehemals Wohnungsbau-Kreditanstalt Berlin) als Institution auf Länderebene die Bearbeitung des deutschen Gutachtens.

Auch wenn die beiden EUROREX-Projekte nur einen kleinen Ausschnitt der jeweiligen nationalen Wohnungspolitik widerspiegeln, werden generelle Unterschiede deutlich, die vor allem die Bereiche Bauvorbereitung und Baudurchführung, bautechnische Standards, Ausstattungsmerkmale und Kosten betreffen.

So sind in Frankreich Genehmigungs- und Kontrollverfahren durch Übertragung auf staatlich anerkannte Sachverständige und Versicherungen zu großen Teilen privatisiert. Während für die Berliner Baugenehmigung auch der Nachweis der Standsicherheit mit entsprechenden Plänen und Berechnungen zu erbringen war, reichten beim französischen Verfahren wenige grob vermaßte Pläne, da keine bautechnischen Einzelheiten geprüft wurden. Eine vom Bauministerium zugelassene Prüfstelle (Bureau de Contrôle Technique) sorgt für die Einhaltung von Vorschriften und Normen und ist im Auftrag der Bauherrin für die baubegleitende technische Überprüfung zuständig.

Aufgaben und Kompetenzen der am Bau Beteiligten sind unterschiedlich verteilt. Beim französischen Projekt lag die Ausführungsplanung in Händen eines Generalunternehmens, das 14 Subunternehmen beschäftigte, den Standard der bautechnischen Ausführung bestimmte und entsprechende Verantwortung übernahm. Demgegenüber waren am Berliner Bauvorhaben mehr als 40 Firmen als Vertragspartner der Bauherrin beteiligt, so daß sich die Baudurchführung als ein komplexer arbeitsteiliger Prozeß mit hohem Koordinierungsaufwand darstellte.

In beiden Staaten ist die öffentliche Förderung an Flächen- und Ausstattungsnormen gebunden, wobei die Ausstattungsstandards der französischen Wohnungen ein breiteres Spektrum umfassen, insgesamt aber etwas niedriger liegen (keine Keller, teilweise keine/teilweise aber auch entschieden größere Balkone/Terrassen, PVC statt Fliesen in den Sanitärräumen usw.). Das in beiden Staaten ausgeprägte Engagement für den Bau von behindertengerechtem Wohnraum wird unterschiedlich umgesetzt. Während in Deutschland mindestens fünf Prozent der Wohnungen rollstuhlbenutzungsgerecht auszubauen sind, reicht es in Frankreich, bei Erdgeschoßwohnungen die "Umbaufähigkeit" nachzuweisen.

Hinsichtlich der Wohnungsgröße variieren die Vorgaben mit durchschnittlich um 14 m² größeren förderungsfähigen Grundrissen im Berliner Sozialen Wohnungsbau sehr viel stärker als die tatsächlichen Bauergebnisse. Für die beim Berliner Projekt geforderte "qualifizierte Eingriffsbewertung" und die Kompensation von Versiegelung durch Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen gibt es beim französischen Bauvorhaben keine Entsprechung.

Deutliche Unterschiede bestehen bezüglich der Parkplatzquote, die in Fontenay-sous-Bois mit 1,2 pro Wohnung mehr als doppelt so hoch wie die Berliner Quote mit 0,5 angesetzt ist.


Projekt in Fontenay-sous-Bois, Haus1, Ostfassade

Die gesamte Bausumme für das französische Projekt beträgt mit (umgerechnet) 11,5 Mio. DM trotz höherer Wohnungszahl und zusätzlicher Ladenfläche nur die Hälfte des Berliner Projekts. Gründe dafür sind neben dem unterschiedlichen Ausstattungsniveau der höhere Grundstückswert, höhere Bau- und Planungskosten, die in der Berliner Bauordnung geregelte Spielplatz- und Begrünungspflicht mit aufwendigerer Freiflächengestaltung, aber auch größere Anforderungen an Wärme-, Schall- und Brandschutz.

Die Ergebnisse des Vergleichs stellen eine Momentaufnahme dar, da im Zuge der europäischen Harmonisierungsprozesse auch im Bau- und Planungsbereich in allen EU-Mitgliedsstaaten gegenwärtig grundlegende Umstrukturierungen vorgenommen werden. S. bemüht man sich in Frankreich um "solidere Bauweise" (unter anderem sind die Schallschutzauflagen verstärkt worden) und Erweiterung der öffentlich vorgegebenen Mindeststandards unter dem Aspekt besserer Vermietbarkeit. In Deutschland sind inzwischen in mehreren Bundesländern Kostenobergrenzen für die Wohnungsbauförderung eingeführt worden, und es gibt Bestrebungen, das Baugenehmigungsverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen.

Die Untersuchungsergebnisse sind als
Materialienband 8/96 erschienen.


Weitere Informationen:
Dr. Heidede Becker
Telefon: 030/39001-298