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ÖPNV und Digitalisierung – Nutzen der Vernetzung und Automatisierung

Beim Difu-Seminar diskutierten Verkehrsfachleute aus ganz Deutschland über Chancen und Risiken der Digitalisierung für den ÖPNV. Durch gute digitale Angebote soll der ÖPNV attraktiver und zur echten Alternative zum motorisierten Individualverkehr werden.

Unter dem Begriff Digitalisierung zusammengefasste Entwicklungen prägen seit einigen Jahren den ÖPNV. So zählten zu den in einem Difu- Seminar näher beleuchteten Aspekten Fahrplanauskunftssysteme in Echtzeit, Buchungs- und Zugangsmöglichkeiten zu Mobilitätsangeboten, die Entwicklung neuer Tarifmodelle mit Abkehr von Zonen- und Wabenmodellen, aber auch flexible On-Demand-Angebote. Das Smartphone ist hierbei der Schlüssel zu unterschiedlichsten Dienstleistungen im Bereich Mobilität: Netzzugang vorausgesetzt, stellt es Informationen zur Reise zur Verfügung, ermöglicht Buchung und Ticketkauf, öffnet Türen von Carsharing-Autos und entsperrt Fahrräder an Verleihstationen.

Um eine flexible Mobilität zu ermöglichen, ist eine physische Integration von Angeboten an Mobilitätsstationen wie auch die digitale Integration notwendig. Modelle eines solchen Single-Sign-On gibt es z.B. in München mit M-Login oder in Hamburg mit switchh. ÖPNV-Unternehmen sind hierbei jeweils Integrator für öffentliche und privatwirtschaftliche Mobilitätsangebote. Besonders für nahtlose Buchungssysteme ist noch viel Überzeugungsarbeit notwendig: Umgang mit Kundendaten, Provisionen und vertragliche Übereinkünfte zwischen den Anbietern sind zu diskutieren. Ziel kommunaler Verkehrsunternehmen ist, nicht das Schicksal von Leistungsanbietern bei Plattformökonomien zu erleiden – nämlich für den Kunden nicht mehr wahrnehmbar zu sein. Als Integrator von Mobilitätsdienstleistungen haben Verkehrsunternehmen eine gute Ausgangsposition, weil sie Vertrauen mit Blick auf Datenschutz/-sicherheit genießen und einen großen Kundenstamm haben.

Aus Sicht der ÖPNV-Akteure sind Entwicklungen bei neuen On-Demand-Angeboten besonders interessant. Gesellschaftliche Veränderungsprozesse – junge Menschen im urbanen Umfeld haben ein deutlich sinkendes Interesse an Führerscheinerwerb oder gar Autokauf – und leistungsfähige Algorithmen zur Verknüpfung von Fahrtwünschen in Verbindung mit einer bei jüngeren Menschen ubiquitären Smartphone-Ausstattung, sind Katalysator für neue flexible Angebote. Projekte aus Lübeck, Stuttgart und München wurden im Seminar vorgestellt. Motivation kommunaler Verkehrsunternehmen ist, ihr Angebot zu ergänzen und sich durch Flexibilisierung und Individualisierung neue Nachfrage zu erschließen. Zudem möchte man frühzeitig Erfahrung in diesem Segment sammeln und den Markt nicht „kampflos“ kommerziellen Anbietern aus den Bereichen Automobil- und Softwareindustrie überlassen.

Die Diskussion zeigte, dass verschiedene Segmente der Digitalisierung zu einem attraktiveren und kundenorientierteren ÖPNV beitragen können. Gleichzeitig wurde vor überzogenen Erwartungen gewarnt, die schon in der Digitalisierung an sich einen Beitrag zur Lösung von Verkehrs- problemen sehen. Vielmehr wurde darauf verwiesen, dass Entwicklungen im Kontext der Digitalisierung eine unterstützende Funktion haben können, aber verkehrspolitische Rahmensetzungen wichtig sind, um „Rebound-Effekte“ zu vermeiden. Das bedeutet, dass Verkehr durch Entwicklungen im Kontext der Digitalisierung nicht stadt- und umweltverträglicher wird, sondern die Verkehrs- belastungen durch neue – auch gutgemeinte – Angebote weiter wachsen. Relevant ist in diesem Zusammenhang, wie das Personenbeförderungsgesetz novelliert und wie dabei den Anforderungen der Daseinsvorsorge Rechnung getragen wird. Verkehrsunternehmen des ÖPNV sollten Entwicklungen aktiv und selbstbewusst nutzen. Ihre Erfahrungen und ihr Kundenstamm sind eine gute Ausgangsbasis, um neue digitalbasierte Angebote zu gestalten und im Sinne einer Verkehrswende in das bestehende ÖPNV-System zu integrieren. Am Ende dieses Transformationsprozesses sollte ein starker ÖPNV stehen, der durch digitale Mobilitäts-, Buchungs- und Informationsangebote eine echte Alternative zum motorisierten Individualverkehr ist.

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