Reich und Arm – Ungleichheit in Städten
Mit dem Themenschwerpunkt "Reich und Arm – Ungleichheit in Städten" greift das aktuelle Heft der "Modernen Stadtgeschichte" eine Kernfrage der neueren Stadtforschung auf. Die Herausgeber Alex Schildt (Hamburg) und Clemens Zimmermann (Saarbrücken) akzentuieren in ihrer Einleitung einige zuletzt von der Forschung verstärkt beachtete Aspekte, wie die Frage unterschiedlicher Chancen von Stadtbewohnern als Katalysator und Indikator für sozialräumliche Ungleichheiten, oder die Zusammenhänge zwischen der Schrumpfung von Städten und sozialer Benachteiligung. In den Einzelbeiträgen untersucht Anne Kurr (Hamburg) die soziale Funktion von "guten Adressen" in reichen Stadtvierteln von Paris und Hamburg von den 1950er- bis zu den 1980er-Jahren und Lu Seegers (Hamburg) analysiert die stadtgesellschaftliche Wahrnehmung von Clubs der Hamburger Wirtschaftselite als exklusive Orte.
David Templin (Hamburg) verfolgt die Karriere des aktuell viel benutzten Begriffs der "Gentrification" als Deutungsmuster in stadtbezogenen Debatten und in der Stadtforschung seit den 1960er-Jahren in Großbritannien, den USA und Deutschland. Dieter Schott (Darmstadt) hebt in seinem Beitrag zu "Infrastrukturnetzen und soziale(r) Ungleicheit" die anfänglich im späten 19. Jahrhundert sozial stark selektive Einführung moderner Stadttechniken hervor, die in der Folgezeit jedoch schrittweise praktisch allen Stadtbewohnern zugänglich wurden. Einer jüngeren Periode starker politischer Polarisierung widmet sich der Aufsatz von Christian Jansen (Trier), der die Hinwendung der Neuen Linken im Italien der 1970er-Jahre zu Fragen städtischer Lebensqualität als Feld revolutionärer Mobilisierung beschreibt. Katharina Wohlgemuth (Saarbrücken) vertieft die in der Einleitung von Schildt/Zimmermann aufgeworfene Frage nach dem Zusammenhang von sozialer Ungleichheit und Schrumpfung von Städten und ihren kulturpolitischen Strategien – anhand eines Städtevergleichs der westdeutschen Stadt Salzgitter mit der ostdeutschen Stadt Dessau. Und schließlich beschäftigt sich Peter Birke (Göttingen) in seiner Leitrezension mit dem inzwischen bereits zum Zeitdokument gewordenen Standardwerk von Hartmut Häußermann/Dieter Läpple/Walter Siebel: Stadtpolitik von 2008. Birke zeigt mittels einer retrospektiven Einordnung des Buches indirekt auch den rasanten Wechsel der Themen und Paradigmen im Feld von Analysen zu sozialen Ungleichheiten in Städten auf.
In der freien Rubrik "Forum" rekonstruiert Takahito Mori (Tokyo) die Einführung der Arbeitslosenfürsorge in Hamburg während des Ersten Weltkriegs unter besonderer Berücksichtigung privater Initiativen, die er als Wegbereiter der kommunalen Sozialpolitik der 1920er-Jahre identifiziert. Michael Kriest (München) zeichnet die Auswirkungen des nationalsozialistischen Autobahnbaus auf die Stadtplanung in verschiedenen deutschen Städten nach.
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