Foto: zwei alte Kinder-Tretautos
Standpunkt

Mit automatischen Autos in die lebenswerte Stadt?!

Mobilität der Zukunft in unseren Städten ist ein Thema, das zunehmend diskutiert wird, besonders das automatische Fahren.

Seit sich der Verkehr mit den Daten aus Kameras, Smartphones, Autos, Laser- und Radargeräten steuern und organisieren lässt, gibt es bessere Stau- und Verspätungsinformationen, Strecken- und Verbindungsauskünfte, Dienstleistungen per App – und die Entwicklung vollautomatischer Autos. So wächst "Big Data" mit der Überwachung von Bahnhöfen und Plätzen, dem Auffinden vergessener und gestohlener Fahrzeuge und beim Aufzeichnen unserer Spuren, ob wir es wollen oder nicht.

Teilautomatische Assistenzsysteme wie Tempomat und Airbag sind aus Autos, Lastwagen und Bussen nicht mehr wegzudenken. Nun entwickeln IT-Branche und Fahrzeugindustrie fieberhaft vollautomatische Autos und Robotertaxis. Sie sollen untereinander und mit der Infrastruktur kommunizieren, sowie mit Fußgängern und Radfahrern. Automatische Autos können als Privat- und Dienstwagen, Taxi, Bus "im Carsharing" und Sammeltaxi eingesetzt werden. Robotertaxis könnten auf Bestellung zum Nutzer kommen, intelligent parken und (als Elektroauto) selbständig zum Laden fahren. Automatische U-Bahnen sind in Paris, Barcelona und Nürnberg längst in Betrieb.

Vermutlich wird diese Entwicklung das klassische eigene Auto nicht ersetzen. Die Autoindustrie wird auf ihr Massengeschäft ("Freiheit auf vier Rädern") nicht verzichten. Vor allem Jüngere sind lange vor ihrem 18. Lebensjahr per Smartphone unterwegs und fahren auch nach dem 18. Lebensjahr in den Städten zunehmend mit dem Fahrrad und öffentlichen Verkehrsmitteln. Sie nutzen die digitalen Möglichkeiten zur Bildung von Fahrgemeinschaften oder Carsharing: "multimodal, automatisiert, digital".

Hoffnungen für die Stadt ...

Automatische Autos könnten einen Wandel der Mobilitätskultur und eine Entlastung der Städte bewirken: Unfälle und Staus vermeiden, langsamer und leise fahren, die Sicherheit von Fußgängern auf der Fahrbahn erhöhen, und Radfahrer bekämen automatisch den nötigen Bewegungsraum. Kein Auto stünde mehr im Halteverbot, niemand wäre mit Alkohol, Krankheit, Führerscheinentzug oder Behinderung fahruntüchtig. Vollautomatische Fahrzeuge könnten als Teil einer öffentlichen Flotte (Roboter-Taxis, Carsharing) und des ÖPNV Bedienungslücken füllen und die heutigen Nutzungsmuster, Besitz- und Geschäftsmodelle grundlegend durcheinander wirbeln. Automatische Autos könnten ein Teil des öffentlichen Verkehrssystems werden. Ein attraktives einfach nutzbares System von öffentlichen Mobilitätsdienstleistungen könnte im Verbund mit Fahrrad und Fußgängerverkehr den Besitz und die Nutzung eines privaten Pkw in weiten Bereichen überflüssig machen. Das wäre wirklich "smart"!

…und Befürchtungen

Die meisten Städte haben das Leitbild der autogerechten Stadt aus dem vergangenen Jahrhundert hinter sich. Sie wollen aktiv und lebenswert sein. Sie wollen die mit dem Auto verbundenen Lasten reduzieren, Kfz-Verkehr vermeiden, auf nachhaltige Verkehrsmittel verlagern und Fahrzeuge besser auslasten. Da automatische Autos alle benötigten Sensoren und Rechner an Bord haben können, braucht man auf kommunaler Seite – anders als bisher bei der Elektromobilität – nicht unbedingt auch neue Infrastruktur. Es sei denn, die Straßen müssten eingefriedet werden, um den Verkehrsfluss dieser Autos nicht zu stören.

Mit den unterschiedlichsten Geschäftsmodellen der "Smart City" werden alte und neue Player der Stadtplanung bei den Kommunen vorstellig. Sie möchten Zugang zu kommunalen Daten, um die Stadt, unter Mitbenutzung der kommunalen Infrastruktur, als Testlabor zu nutzen (z.B. die Straßenlampen als E-Ladestation, W-LAN-Station und Detektor). US-Konzerne mit prall gefüllten Kassen kaufen Unternehmen und Nutzerdaten (z.B. Haustechnik), die "Machtasymmetrie zwischen öffentlichen Akteuren und den globalen Treibern dieser Entwicklung wie Google, Apple und großen deutschen Automobilfirmen" wird sichtbar. Wenn Kommunen dem Werben erliegen, entgleitet die Steuerung der Mobilität der öffentlichen Hand. So entstünde ein völlig unreguliertes Feld von kommerziellen Dienstleistungen und Anreizen, die jeden Schritt in die Datenwolke einspeisen. Wenn die technischen Lösungen – von der Parkraumdetektion bis zur Verkehrssteuerung – auf diese Weise die Vorrangstellung des Autoverkehrs sichern, wäre so eine Smart City ein "trojanisches Pferd".

Cui bono?

Über die Wirkungen der neuen Technik lässt sich momentan nur spekulieren. Wird die Zahl der Pkw stark sinken? Werden Autofahrer auf die Möglichkeit selbst zu lenken und schnell zu fahren verzichten, wenn Robotertaxis verfügbar sind? Wäre eine solche Zukunft für Automobilhersteller lukrativ? Werden die Rebound-Effekte dieses attraktiven Angebots den angestrebten Effizienz- und Suffizienzgewinn wieder auffressen? In welchem Umfang wird es Leerfahrten von und zum Einsatzort oder zum Parkplatz geben? Könnten automatische Autos in weiten Teilen die Existenz des heutigen öffentlichen Nahund Fernverkehrs in Frage stellen?

Die Entwicklung läuft auf Hochtouren. Tests für teilautomatisches Fahren laufen: automatisches Fahren im Stau, automatisches Parken, Pulkfahren von Lkw. Bis 2025 soll die Vollautomatisierung funktionieren. Ziele sind die "Steigerung der Verkehrseffizienz", "Erhöhung der Verkehrssicherheit" und "Reduzierung mobilitätsbedingter Emissionen". Die Bunderegierung möchte Deutschland mit ihrer "Strategie automatisiertes und vernetztes Fahren" als "Leitmarkt" positionieren und daraus einen Regelbetrieb entwickeln.

Aber nicht jede technische Entwicklung findet ihren Markt, wenn sie zu stark in die individuelle Handlungsfreiheit eingreift. Deshalb gibt es wohl keine Pflicht zu elektronischen Abbiegeassistenten für Lkw, um die typischen Abbiegeunfälle mit Radfahrern zu verhindern, zu Tempolimitassistenten, um die Raserei zu beenden. Sogar das unfallträchtige Handytelefonieren am Steuer könnte automatisch unterbunden werden.

Technik und Ethik

Ob sich das automatische Fahren angesichts der ethischen Fragen durchsetzen wird, ist offen. Beim "Fahren auf Sicht" trägt ein Mensch die Verantwortung und kann Assistenzsysteme jederzeit überstimmen oder abschalten (z.B. beim Abstandsregeltempomat). Ein System, das auch mit "unberechenbaren" Verkehrsteilnehmern rechnet und Unfälle mit Personenschäden ausschließt, müsste sehr vorsichtig ausgelegt werden – für langsame Geschwindigkeit und Sicherheitsabstand. Wen soll Automatisierung retten, wenn es doch zu einem unvermeidbaren Unfall kommt? Insassen oder Unfallgegner, Kinder oder Alte? Brauchen automatische Autos vielleicht sogar einen eigenen geschützten Raum mit eigener Infrastruktur (z.B. im Tunnel), damit der Verkehr noch ungestört fließen kann?

Nur wenn das automatische Fahren auch im "echten" Stadtverkehr funktioniert, werden sich Roboterautos durchsetzen. Hier gibt es spontan rennende Kleinkinder, die Verkehrsregeln noch nicht verstehen, intuitiv handeln und unvorhersehbare Bewegungsmuster zeigen. Die Interaktionen mit dem Rad- und Fußverkehr wurden noch wenig erforscht. Fahrräder und Fußgänger könnten, wenn sie am Fahrzeug oder in der Kleidung RFIDChips tragen und sich "kooperativ", also berechenbar verhalten, erkannt und vom Bordcomputer berücksichtigt werden. Im komplexen urbanen Mischverkehr wäre ein automatisches Auto vermutlich sehr langsam unterwegs (15-20 km/h). Ob es auch Fußgänger geben wird, die einfach nur testen wollen, wie automatische Autos reagieren?

Ebenfalls ungelöst sind Fragen der technischen Sicherheit und des Datenschutzes. Je mehr Daten ausgetauscht werden, umso mehr Spuren hinterlassen wir. Vor jeder Kreuzung werden Vorbeifahrende erkannt und Wege nachvollziehbar. Dazu kommt die Gefahr von Sicherheitslücken. Welchen Schutz vor Hackern, Systemausfällen, mutwilligen Störungen und anderen äußeren Einflüssen muss man vorsorglich treffen, wer haftet, wenn etwas schief geht? Neue Technologien mögen zwar Unfallrisiken verhindern, bergen aber die Gefahr eines Hackerangriffs. Je besser Fahrzeuge vernetzt sind, desto anfälliger werden sie für Angriffe von außen. Jede Datenverbindung ins Auto ist ein Einfallstor für Hacker, schlampig gesicherte Mobilfunktools machen Fahrzeuge zu einer potenziell leichten Beute für Diebe.

Fazit

Vieles ist noch ungeklärt. Während Städte vom automatischen Carsharing und Mitfahrdiensten profitieren könnten, weil sich Platzbedarf des Verkehrs und Zahl der Autos verringern können, dürften Autohersteller kaum Interesse daran haben, ihren lukrativen Markt der individuellen Privatfahrzeuge aufzugeben. Roboterautos dürften eher private Oberund Mittelklasseautos und Dienstwagen substituieren, als den öffentlichen Verkehr. Stimmt der Preis, so könnten "Automatische" per Carsharing vollgeparkte Straßen entlasten und als Taxis die Daseinsvorsorge in städtischen Randgebieten, im ländlichen Raum und nachts sichern, wo ein normaler Linienbetrieb zu teuer ist. Sollten einmal alle Autos automatisch unterwegs sein, so könnte dies die Sicherheit von Fuß- und Radverkehr verbessern und spezielle Ampeln überflüssig machen. Funktioniert das Roboterauto nur, wenn Städte autogerecht, mit Zusatzfahrbahnen ausgestattet, Stadtstraßen abgeriegelt und Fußgänger mit RFID-Chips ausgestattet sind, so gäbe es in den Städten für Roboterautos wohl keinen Platz.

Weitere Informationen

  • Filjanty, Lukas, Thuy Chninh Duonh: Autonomes Fahren – Game Changer für die Zukunft der Mobilität. Eine einstige Utopie wird Realität, in: Internationales Verkehrswesen Jg. 68, 1/2016, S. 62–65 und 2/2016, S. 46–48.
  • DEKRA Automobil GmbH: Fahrzeugtechnik, in: DEKRA Verkehrssicherheitsreport 2016, S. 46–57.

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Tilman Bracher

Autor: Tilman Bracher