Schal und Haus auf Heizung
Standpunkt

Kommunen sind die Schlüsselakteure für eine gelungene Wärmewende

Die Wärmewende ist unumgänglich – für den Klimaschutz, die Versorgungssicherheit und auch für die Bezahlbarkeit von Energie. Den Kommunen kommt dabei eine wichtige koordinierende Rolle zu.

Die in Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine hervorgerufene Energiekrise führt uns schmerzhaft vor Augen, wie wenig zukunftsfähig das Energiesystem in Deutschland ist: Die deutlich gestiegenen Energiepreise sorgen für hohe finanzielle Belastungen bei Verbraucher*innen, Unternehmen, Kommunen und Stadtwerken. Zur Sicherung der Energieversorgung werden Milliarden in Terminals für fossiles Flüssiggas investiert.

Angesichts dessen erhält die Frage, wie wir unsere Gebäude künftig heizen, – endlich – die gebührende gesellschaftliche Aufmerksamkeit. Dabei gilt es, Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit in Einklang zu bringen. Mit Blick auf den Klimaschutz sind die Alarmzeichen schon länger bekannt. Erklärtes Ziel der Bundesregierung ist der treibhausgasneutrale Gebäudebestand bis 2045 – allerdings wurden die Zwischenziele mehrfach verfehlt. Dies ist umso problematischer, als das Bundesverfassungsgericht in einem wegweisenden Urteil die hohe Bedeutung des Klimaschutzes für die Gerechtigkeit zwischen den Generationen unterstrichen hat. Die aktuelle Energiekrise macht die längst anzugehende Aufgabe daher nun noch einmal herausfordernder.

Erfolgreiche Wärmewende erfordert ernergieeffizienten Gebäudebestand

Rund ein Drittel des Endenergieverbrauchs in Deutschland wird für das Heizen von Gebäuden und die Bereitstellung von Warmwasser benötigt. Heute beruht die Wärmeversorgung weitgehend auf fossilen Energieträgern. Auch in diesem Jahr belegen Erdgas-betriebene Heizungen den Spitzenrang bei den Absatzzahlen. Die Wärmewende ist daher unumgänglich. Es gilt, den Wärmebedarf durch eine Steigerung der Energieeffizienz von Gebäuden deutlich zu reduzieren und den verbleibenden Rest vollständig durch erneuerbare Energien und unvermeidbare Abwärme zu decken.

Aktuell ändern sich in nie gekannter Frequenz gesetzliche Regelungen, Förderprogramme und finanzielle Rahmenbedingungen im Wärmebereich. Dabei überlagern sich kurzfristiger – teils kontraproduktiver – Handlungsbedarf zur Krisenbewältigung und langfristiger Transformationsbedarf zum Umbau der Wärmeversorgung. Die Einführung eines Mindestanteils an erneuerbaren Energien von 65 Prozent beim Einbau einer neuen Heizungsanlage ab 2024 ist beispielsweise eine wichtige Weichenstellung für den treibhausgasneutralen Gebäudebestand.

In diesem turbulenten Umfeld nehmen die Kommunen laut Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) eine sehr aktive Rolle für die Wärmewende ein. Weil Wärme – anders als Strom oder Gas – nicht über längere Distanzen transportiert werden kann, müssen Entscheidungen über die zukünftige Wärmeversorgung unter Berücksichtigung vorhandener Infrastrukturen und Potenziale vor Ort getroffen werden.

Ziele und Herausforderungen der Kommunen 

Was ist also die Rolle der Kommunen, wenn vor allem die Energieversorger Investitionen für die Dekarbonisierung ihrer Wärmenetze tätigen müssen und die energetische Sanierung in der Hand der Wohnungswirtschaft bzw. privater Gebäudeeigentümer*innen liegt? Angesichts der Vielzahl relevanter Akteure braucht es eine Institution, die eine koordinierende Funktion übernimmt. Im Sinne einer integrierten Stadtentwicklung sind Kommunen prädestiniert dafür, die Handlungsfelder Wohnen und Energieversorgung integriert und gemeinwohlorientiert zu betrachten. Ihnen steht dabei schon heute ein breites stadt- und fachplanerisches Instrumentarium zur Verfügung. Überall dort, wo sich Kommunen selbst ambitionierte Klimaschutzziele gesetzt haben, kommt ihnen zudem eine treibende Rolle für die Wärmewende zu. Das kann z.B. bedeuten, gegenüber dem eigenen Stadtwerk die kommunalen Klimaschutzziele nachzuhalten und gemeinsam einen Weg zur treibhausgasneutralen Wärmeversorgung abzustecken. Bei öffentlichen Gebäuden können Kommunen auch selbst ambitionierte Investitionsmaßnahmen umsetzen.

Doch zur Wahrheit gehört auch, dass viele Kommunen nicht über notwendige strukturelle, finanzielle und personelle Ressourcen verfügen, um die skizzierte Rolle einzunehmen. Je nach Größe der Verwaltung, Erfahrungen in der kommunalen Energiepolitik oder Existenz eines eigenen Stadtwerks sind die Ausgangsbedingungen für Kommunen unterschiedlich. Wenn die Kommunen nach den Vorstellungen von Bund und Ländern eine zentrale Rolle bei der Wärmewende einnehmen sollen, so ist eine aufgabenadäquate strukturelle Finanzierung eine Grundvoraussetzung.

Mit der kommunalen Wärmeplanung gewinnt derzeit ein strategisches Instrument an Bedeutung, das Orientierung für künftige Planungs- und Investitionsentscheidungen bieten und Fehlinvestitionen aus volkswirtschaftlicher Sicht vermeiden soll. Es ermöglicht den Kommunen gemeinsam mit Energieversorgern und weiteren Schlüssel­akteuren – unter systematischer Prüfung und Nutzung aller Potenziale für das gesamte Gemeindegebiet – die Entwicklung eines wirtschaftlichen Zielszenarios für eine treibhausgasneutrale Wärmeversorgung. Dazu gehört die kartografische Darstellung von Gebieten, die sich aufgrund ihrer Dichte für die Versorgung mittels Wärmenetzen eignen und solchen für dezentrale Versorgungstechnologien (vornehmlich Wärmepumpen). Ein solches Koordinierungsinstrument ist für die Wärmewende besonders wichtig, da Investitionen in Infrastrukturen und Gebäude mit hohem Kapitaleinsatz und langer Kapitalbindung erforderlich sind. Aktuell kommt ein weiterer Aspekt hinzu: Viele Eigentümer*innen von Häusern und Wohnungen überdenken angesichts rasant steigender Energiepreise ihre Wärmeversorgung. Planerische Orientierungen sind daher wichtiger denn je, um einen Flickenteppich an Einzellösungen zu vermeiden.

Derzeit läuft ein Konsultationsprozess des BMWK zur flächendeckenden Einführung der kommunalen Wärmeplanung in allen Kommunen oberhalb einer gewissen Einwohnerzahl (z. B. 20.000). In einigen Bundesländern besteht eine solche Verpflichtung bereits. Andere Städte wie Rostock haben auf freiwilliger Basis einen Wärmeplan erstellt und befinden sich bereits im Umsetzungsprozess.

Kommunale Wärmeplanung als langfristige Aufgabe

Kommunale Wärmeplanung endet nicht mit der Fertigstellung des Plans, sie ist eine Daueraufgabe. Wie die Umsetzung am besten gelingt, ist noch offen. Je unverbindlicher das Instrument angelegt ist, desto wichtiger ist die Verzahnung mit der Energie- und Stadtplanung. Regelungsmöglichkeiten bieten z. B. Bebauungspläne und städtebauliche Verträge. Zunehmend relevant wird auch die Berücksichtigung des Flächenbedarfs für erneuerbare Energien (z.B. Freiflächensolarthermie) oder von Wärmespeichern auf Ebene der Flächennutzungsplanung. Mit Blick auf die Umsetzung der Wärmeplanung sind energetische Quartierskonzepte ein wichtiger Konkretisierungsschritt für einzelne Teilgebiete. Auch die strategische Begleitung des Wärmenetzausbaus ist eine neue Aufgabe für Kommunen (s. S. 12/13). So hat die Stadt Hannover kürzlich eine Fernwärmesatzung für einen beschleunigten Fernwärmeausbau beschlossen. Wenn Wärmenetze ausgebaut werden, stellt sich die Frage nach der Zukunft der Gasverteilnetze, denn ein Parallelbetrieb beider Netze ist meist unwirtschaftlich. Hier zeichnen sich neue Betätigungsfelder einer integrierten In­frastrukturentwicklung auf kommunaler Ebene ab.

Egal ob eine Verpflichtung zur Wärmeplanung besteht oder nicht: Kommunen sollten die Aufgabe der kommunalen Wärmeplanung umgehend angehen. Denn die aktuelle Situation zeigt, dass eine zukunftsfähige Wärmeversorgung Teil der Daseinsvorsorge ist. Die Voraussetzungen sind günstig wie nie. Im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative fördert das BMWK die Erstellung von Wärmeplänen mit einem Regelfördersatz bis zu 90 Prozent bis Ende 2023, für finanzschwache Kommunen bis zu 100 Prozent (s. S. 31).

Vorabveröffentlichung des im Difu-Magazin Berichte 4/2022 erscheinenden Textes