Wenn Frühe Hilfen nicht greifen. Unterbringung von Klein(st)kindern
Aktuelle Beiträge zur Kinder- und Jugendhilfe, Bd. 75, 2010, DINA4, deutsch, 174 S.
Kostenfreier Download
Inhalt
Frühe Hilfen sind sehr wichtig, was aber ist zu tun, wenn diese nicht (mehr) ausreichen?
"Auch wir haben steigende Zahlen der Inobhutnahme von unter Dreijährigen und unter Sechsjährigen zu verzeichnen. Das führte im vorigen Jahr dazu, dass wir eine Inobhutnahmeeinrichtung, die wir selbst im Rahmen unseres Kinderhilfezentrums mit betreiben, 150 Prozent auslasten mussten. Das führte außerdem dazu, dass wir über eine Veränderung unserer Strategie der Inobhutnahme nachdachten. (…) Unsere aktuelle Strategie sieht vor, professionelle Bereitschaftsfamilien zu finden, denn wir merken, dass immer mehr Fälle immer schwieriger werden, u.a. in Bezug auf die Auseinandersetzung mit den Eltern bzw. den Patchwork-Familien. Daher müssen wir verstärkt darauf achten, inwieweit wir die vorhandenen Strukturen von ehrenamtlichen Bereitschaftsfamilien unterstützen und gleichzeitig professionelle Strukturen aufbauen."
(Johannes Horn, Leiter des Jugendamtes Düsseldorf)
"Unser Landkreis verfügt im Prinzip über ein ausreichendes Netz von geeigneten und sehr engagierten Bereitschaftspflegestellen, in die wir sehr viel investieren. Wir haben in den letzten Jahren versucht, das Pflegekinderwesen auszubauen, zu differenzieren und besser zu unterstützen. (…) Zurzeit haben wir noch nicht genügend Erziehungsstellen für Kleinkinder und Kleinstkinder sowie für 3- bis 6-Jährige, die selbst schon so große Schwierigkeiten und/oder so komplizierte familiäre Hintergründe mitbringen, dass eigentlich eine professionelle Pflegefamilie mit entsprechend intensiver Beratung und Begleitung erforderlich wäre. Es ist nicht einfach, geeignete Kolleginnen und Kollegen zu finden, die dazu bereit sind. Wir sind im Moment dabei, Mutter-Kind-Gruppen und betreutes Familienwohnen auszubauen. Sehr junge Mütter mit Kleinstkindern sollen zusammen entweder von Familien oder in anderen geeigneten Formen betreut werden."
(Wolfgang Trede, Jugendamtsleiter Landkreis Böblingen)
In vielen Jugendämtern ist "gefühlte Realität", dass immer mehr Klein(st)kinder in Obhut genommen werden und die Fallzahlen in diesem Bereich angestiegen sind. Die Bundesstatistik bestätigt diesen Trend, Zeitungen berichten darüber, die Fachkräfte in der Kinder- und Jugendhilfe sind auf der Suche nach geeigneten Lösungen für dieses Problem. Denn schließlich können Klein(st)kinder nicht "irgendwo (stationär) zwischengeparkt" und damit ernsthafte Bindungsstörungen provoziert werden. Was also können MitarbeiterInnen in der Kinder- und Jugendhilfe tun, wenn Klein(st)kinder aus den unterschiedlichsten Gründen vorübergehend aus ihren Familien genommen werden müssen und nicht genügend Pflegefamilien vorhanden sind?
- Welche Unterbringungsformen und "Settings" sind geeignet, die gleichzeitig auch relativ stabile Beziehungen gewährleisten? Und wie sollten aus fachlicher Sicht Übergänge gestaltet werden?
- Welche Lösungen bieten sich an, wenn die Unterbringung von "Geschwisterreihen" erforderlich ist?
- Was ist zu tun, wenn sich das Zusammenleben mit Klein(st)kindern als so schwierig erweist, dass es Herkunfts- bzw. Pflegefamilie nicht mehr schaffen?
- Welche Unterbringungsformen haben sich in der Praxis bewährt, welche innovativen Ansätze, Projekte und Überlegungen gibt es bundesweit hierzu?
Anliegen dieser Tagung war es, über alle diese Aspekte zu diskutieren. Im Verlauf der Tagung wurden neben empirisch verlässlichen Zahlen zu dieser Problematik auch aktuelle wissenschaftliche Befunde über die Entwicklung von Kleinstkindern in Pflegestellen vorgestellt und in Arbeitsgruppen über verschiedene Unterbringungsmöglichkeiten und Formen von Mutter-Kind-Einrichtungen diskutiert. Dabei im Fokus die Frage:
Was ist für das betroffene Kind die am wenigsten schädigende Alternative?
Aus dem Inhalt
Vorwort
KERSTIN LANDUA, Leiterin der Arbeitsgruppe Fachtagungen Jugendhilfe im Deutschen Institut für Urbanistik, Berlin
Eröffnung und inhaltliche Einführung: (Zeitweilige) Unterbringung von Klein(st)kindern – Ist das Problem ein Problem?
BRUNO PFEIFLE, Leiter des Jugendamtes der Landeshauptstadt Stuttgart und Vorsitzender des Beirates Jugendhilfe der Arbeitsgruppe Fachtagungen Jugendhilfe im Deutschen Institut für Urbanistik
Unter Mitwirkung von
JOHANNES HORN, Leiter des Jugendamtes Düsseldorf,
CORNELIA SCHEPLITZ, Leiterin der Abteilung Jugend, Familie, Soziale Dienste im Amt für Jugend und Soziales, Frankfurt (Oder),
WOLFGANG TREDE, Leiter des Kreisjugendamtes Böblingen,
Dr. HERBERT WIEDERMANN, Leiter des Landesjugendamtes Hamburg
Trauma oder neue Chance? Trennungen junger Kinder im Familienkonflikt
Dr. JÖRG MAYWALD, Soziologe, Geschäftsführer der Deutschen Liga für das Kind, Berlin
"Wie wir wurden, was wir sind" – Riskante Entwicklungswege von Klein(st)kindern
Dr. MAURI FRIES, Dipl.-Psychologin, systemische Familientherapeutin und Supervisorin, Martha-Muchow-Institut, Berlin
Hilfen für Kleinstkinder in Krisen: Chancen und Risiken an einem neuen Lebensort auf Zeit
Prof. Dr. KLAUS WOLF, Professor für Sozialpädagogik, Universität Siegen
Arbeitsgruppen: Vorstellung von Praxisbeispielen
- AG 1: Stationäre Inobhutnahme
- Stationäre Inobhutnahme von Kleinstkindern und Säuglingen in einer vollstationären Kriseneinrichtung
THOMAS KNIETZSCH, Geschäftsführer der "Kinder lernen Leben gGmbH/KileLe", Berlin - Kinderkrisenhilfe des Kinderheimes St. Mauritz in Münster
MICHAEL KAISER, Erziehungsleiter, Kinderheim St. Mauritz, Münster
- Stationäre Inobhutnahme von Kleinstkindern und Säuglingen in einer vollstationären Kriseneinrichtung
- AG 2: Bereitschaftspflege
- Bereitschaftspflege in der Stadt Düsseldorf
STEPHAN SIEBENKOTTEN-DALHOFF, Leiter des Kinderhilfezentrums, Jugendamt Düsseldorf - Befristete Unterbringung in Erziehungsfamilien in Berlin (§ 34 SGB VIII)
PETER HEINßEN, Geschäftsführer proFam – gemeinnützige Gesellschaft zur Familienpflege mbH, Berlin
- Bereitschaftspflege in der Stadt Düsseldorf
- AG 3: Mutter-Kind-Einrichtung
- Arbeit mit psychisch kranken und/oder behinderten Müttern
ANNE MUSKATEWITZ, Mitarbeiterin, St. Josef-Haus, Sozialdienst Katholischer Frauen Wesel e.V. - Mutter-Kind-Wohngruppe – Flexi WG Dresden City
CLAUDIA PUSCHMANN, Pädagogische Mitarbeiterin, Outlaw – Gesellschaft für Kinder- und Jugendhilfe gGmbH, Dresden - Betreuungsintensives Familienwohnen nach § 27 ff. SGB VIII
DIANA FÜSSEL, Pädagogische Mitarbeiterin, Outlaw – Gesellschaft für Kinder- und Jugendhilfe gGmbH, Dresden
- Arbeit mit psychisch kranken und/oder behinderten Müttern
- AG 4: Intensive Arbeit mit Mutter und Kind
- Anleitung von jungen Müttern – integriert in eine Wohngruppe
SIGRID BODE, Einrichtungsleiterin, St. Annastift Kinderheim, Ludwigshafen - Mutter-Kind-Angebot mit Clearing und Training im Notaufnahmebereich
MARINA SCHMIDT, Mitarbeiterin Notaufnahmebereich, Julie-Pfeiffer-Gruppe, Jugendamt Stuttgart
- Anleitung von jungen Müttern – integriert in eine Wohngruppe
- AG 5: Ambulante Krisenintervention
- Ambulante Krisenintervention in Familien (KINT)
RANDI SPEER, Leiterin des interdisziplinären Fachdienstes, Diakonische Jugendhilfe Region Heilbronn e.V., Leiterin der Frühen Hilfen im Stadt- und Landkreis Heilbronn - Krise als Chance nutzen – Hilfe und Schutz bieten Flexible Hilfen für Mutter und Kind
ANDREA DILLAGE, Leiterin des Therapeutischen Zentrums Region Stadtlohn/Gescher, Evangelische Jugendhilfe Münsterland gGmbH, Gescher
- Ambulante Krisenintervention in Familien (KINT)
Abschlussgespräch: "Was packe ich in meinen Koffer für die Reise nach Hause? Was nehme ich aus dieser Tagung mit …"
BARBARA BÜTOW und Dr. MAURI FRIES, Martha-Muchow-Institut, Berlin
Literaturhinweise