Sonderveröffentlichungen,

Nutzungsmischung und soziale Vielfalt im Stadtquartier – Bestandsaufnahme, Beispiele, Steuerungsbedarf

Endbericht

Cover: Nutzungsmischung und soziale Vielfalt im Stadtquartier
Arno Bunzel, Ricarda Pätzold, Wolf-Christian Strauss, Prof. Dipl.-Ing. Martin zur Nedden, Prof. Dr. Guido Spars, Dr. Roland Busch, Michael Heinze, Anja Müller, Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen (Auftraggeber)

Sonderveröffentlichungen, 2015, zahlreiche vierfarbige Abbildungen und Fotos, 140 S.

Inhalt

Städtebauliche Leitbilder sind in Verruf geraten. Das hat vielfältige Gründe: etwa, dass sie indem sie einen Leitgedanken formulieren, andere Stadtrealitäten entwerten oder dass das ihnen innewohnende erlösende Moment wenige Jahrzehnte später einer großen Ernüchterung bzw. Enttäuschung weicht – wie beim Leitbild der Funktionstrennung. Ganz ohne Leitbild oder Zukunftsvorstellung kommt Stadtentwicklung aber auch nicht aus, denn die Bewertung verschiedenster städtischer Entwicklungen bedarf einer inhaltlichen Klammer, eines definierten Referenzrahmens.

Wie sieht sie also aus und welche Eigenschaften zieren eine „gute“ zeitgenössische Stadt? Unter den möglichen Antworten rangieren – zumindest unter den planenden Disziplinen – soziale, aber auch funktionale Heterogenität und Diversität sehr weit oben. Urbane Stadtquartiere sind gemischte Stadtquartiere, keine Enklaven der Besserverdienenden oder Ghettos der sozial Benachteiligten. Die Betonung des Wertes oder der Bedeutung einer Mischung geht damit einher mit der Vorstellung eines stadträumlichen Ausdrucks von Gerechtigkeit. Diese ist gefährdet, da in vielen Städten Entmischungstendenzen beobachtet werden: Gentrifizierungsdiskurse gewinnen an Intensität, Erdgeschoßzonen verwaisen, das produzierende Gewerbe hat die Stadt schon lange verlassen. Gleichzeitig bringt die neue Stadtlust aber auch ständig innovative Experimente und Projekte hervor, die auch Mischungsimpulse setzen und Vielfalt neu interpretieren.

Anliegen der vom Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen beauftragten Forschungsstudie war es, aus der aktuellen Quartiers-Debatte Hinweise und Anhaltspunkte zu erhalten, welche planerischen, städtebaulichen, rechtlichen und sonstigen Handlungsmöglichkeiten es für ein deutliches Mehr an Nutzungs- und sozialer Mischung aktuell gibt, welche Quartiere einer Nutzungsanreicherung bedürfen bzw. sich besonders eignen, welche Instrumente bereits erprobt wurden und in welchen Handlungsfeldern es Handlungsbedarf für die kommunale Ebene, aber auch für die Landesebene gibt. Die Ergebnisse beruhen auf umfangreichen Materialrecherchen, einer schriftlichen Befragung nordrhein-westfälischer Kommunen, der Untersuchung von zehn Fallstudien und einem Expertenworkshop.

Sowohl die Kommunalbefragung als auch die Fallstudienuntersuchungen zeigten: Mischung und Vielfalt stellen aus kommunaler Perspektive wichtige Leitgedanken der Stadtentwicklung dar. Sie entfalten ihren handlungsleitenden und haltungsformenden Charakter vorwiegend auf der strategischen Ebene, da ein „Herunterbrechen“ auf allgemeingültige „Mischungsformeln“ oder „Mischungsschlüssel“ sich als kaum operationalisierbar und auch nicht als sinnvoll erweist. Eine gute Mischung bedeutet deshalb nicht, dass alles überall sein muss, sondern es geht um die Zugänglichkeit von Stadtquartieren, um Freiheitsgrade in der Wohnstandortwahl und die Konnektivität der Stadt.

Bei den im Rahmen der Fallstudien untersuchten Interventionsmöglichkeiten fällt im Bereich der funktionalen Mischung auf, dass sie sich häufig auf Freizeit-, Einzelhandels- und zum Teil auf Gastronomienutzungen fokussieren, weitere Nutzungsanreicherungen (z.B. Gewerbe, Kreativwirtschaft) dagegen vergleichsweise selten auftreten. Interventionen im Bereich der sozialen Mischung zeigen eine räumliche Schwerpunktsetzung bei Quartieren mit einseitig einkommensschwachen Haushalten. In derartigen Gebieten ist die soziale Mischung ein bedeutendes Thema der Stadtplanung. Insgesamt werden die Instrumente nur in relativ wenigen Fällen explizit auf die Veränderung der funktionalen oder sozialen Mischung ausgerichtet. Vielmehr wird versucht, die soziale und funktionale Mischung durch städtebauliche und organisatorische Aufwertungsstrategien und -projekte indirekt zu beeinflussen.

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