Weiterentwicklung großer Wohnsiedlungen
Umfrage: Weiterentwicklung großer Wohnsiedlungen - Situation, Strategien, Maßnahmen
Die Studie "Weiterentwicklung großer Wohnsiedlungen" nimmt die Entwicklungspotentiale der großen, im 20. Jahrhundert errichteten Wohnsiedlungen in den Blick.
Ausgangslage und Zielstellung
Die Mehrzahl der mit bauindustriellen Methoden errichteten und von der organisierten Wohnungswirtschaft bewirtschafteten Wohnungen befindet sich in großen Wohnsiedlungen. Die Erneuerung und Weiterentwicklung dieses Wohnungsbestandes ist – bedingt durch bauliche Standards, Baualter, Bauqualität, bisheriges Instandhaltungsniveau sowie durch städtebauliche und sozialräumliche Problemlagen – eine Aufgabe mit immensem Investitionsbedarf. Dies betrifft gleichermaßen Siedlungsbestände in den neuen wie auch in den alten Ländern. Zudem bieten die großen Wohngebiete mit ihren meist großzügig bemessenen Freiflächen zum Teil untergenutzte Flächenpotentiale, die für ergänzenden Neubau geeignet sind. Damit zählt die Weiterentwicklung großer Wohnsiedlungen zu den zentralen Aufgaben von Stadterneuerung und sozialer Wohnraumversorgung in Deutschland.
Angesichts der Dimensionen der anstehenden Aufgaben in den großen Wohnsiedlungen – sowohl in wachsenden als auch in schrumpfenden Regionen – ist eine komplexe wissenschaftliche Aufarbeitung dringend notwendig. Im Rahmen der Studie soll auf einer breiten empirischen Basis aufgezeigt werden, wie die Lage der großen Wohn-siedlungen ist, welche Rolle sie am Wohnungsmarkt spielen und welche Zukunftsperspektive. Entscheidend ist, ob mit der städtebaulichen Sondersituation auch eine investive Sondersituation einhergeht.
Grundlagen und Stand der Diskussion
Die letzte umfassende empirische Studie zu Großsiedlungen in Deutschland wurde 1994 vom Deutschen Bundestag veröffentlicht. Dem voraus ging eine intensive Befassung mit Problemen und Maßnahmen in diesen Siedlungen im Rahmen der Ressortforschung sowie im Programm Experimenteller Wohnungs- und Städtebau (ExWoSt) seit den frühen 1980er Jahren. Mit der Wiedervereinigung nahm die Bedeutung des Themas weiter zu, da man sich in den neuen Ländern mit einem Großsiedlungsbestand weit größeren Ausmaßes und mit z.T. anderen Prob-lemkonstellationen konfrontiert sah. Unter Großsiedlungen wurden damals die Neubausiedlungen der 60er und 70er Jahre in den alten Ländern sowie die Siedlungen des komplexen Wohnungsbaus in den neuen Ländern gefasst. Nach diesem definitorischen Zuschnitt wohnte in den neuen Ländern jeder vierte und in den alten Ländern jeder sechzigste Bewohner in einer der ca. 240 Großsiedlungen mit 2.500 und mehr Wohnungen.
Die öffentliche Debatte um die Großsiedlungen wurde in den zurückliegenden 20 Jahren vor allem durch drei Themen dominiert:
- Leerstand,
- soziale Problemlagen und Benachteiligungen sowie
- Privatisierung.
Im förderpolitischen Kontext wurden Großsiedlungen nur relativ selten als eigenständiges Thema aufgegriffen, sondern die Problemlagen oft in gewisser Weise unabhängig von der Baustruktur verhandelt. Es gibt und gab aber große Schnittmengen zwischen Großsiedlungen und den verschiedenen Programmbereichen der Städtebauförderung (Stadtumbau Ost und West, Soziale Stadt) sowie der Befassung mit der Veränderung der Anbieterstruktur am deutschen Wohnungsmarkt und den Verkäufen großer Siedlungsbestände.
In der öffentlichen Wahrnehmung wurde in den zurückliegenden Jahren in den Großsiedlungen vor allem am Erhalt des Status Quo gearbeitet. Das Bestreben, im gesamtstädtischen Gefüge nicht weiter abzurutschen, war dabei von unterschiedlichem Erfolg gekrönt. Gleichzeitig – und das ist zentral für das Verständnis der heutigen Situation – fand eine zunehmende Fokussierung der politischen und planerischen Diskussion auf die Innenentwicklung der Städte statt. Mit der "Renaissance der Innenstadt" – die vielleicht präziser als Renaissance der Zentren der prosperierenden Agglomerationsräume bezeichnet werden sollte – drifteten viele Großsiedlungen weiter an den Rand der Aufmerksamkeit. Großwohnsiedlungen und Altstadt als Dichotomien zu begreifen, verstellt zum Teil den Blick auf die sehr heterogene Lage der Siedlungen.
Große Wohnsiedlungen – eine Abgrenzung
Für ein umfassendes Verständnis der Herausforderungen reicht es heute nicht mehr aus, sich mit den Siedlungen des industriellen Wohnungsbaus in Ost und West auseinanderzusetzen. Es ist vielmehr angezeigt, den Begriff auf alle großen Wohnsiedlungen des Mietwohnungsbaus des 20. Jahrhunderts auszudehnen. Unter "Großen Wohn-siedlungen" werden in dieser Studie deshalb Siedlungseinheiten verstanden, die verschiedene "Pflichtmerkmale" in Bezug auf Baualter, Bauweise, Bewohnerschaft und Größe aufweisen. Sie fallen in die Entstehungszeit bzw. Epoche des Städtebaus - Siedlungen der 20er bis 30er Jahre, der 50 bis 60er Jahre, der 70er Jahre (West) oder Siedlungen des komplexen Wohnungsbaus der 70 bis 80er Jahre (Ost). Die Siedlungen weisen einen eigenständigen Charakter sowie eine relativ einheitliche Bebauung bzw. Ensemblewirkung auf und sind überwiegend durch Mietwohnungsbau gekennzeichnet. Als "groß" gelten Siedlungen ab ca. 500 Wohneinheiten bzw. 1.000 Einwohner.
Geplantes Vorgehen
Für die Beantwortung der Untersuchungsfragen sind umfangreiche Datenanalysen erforderlich: Parallel zur Sekundäranalyse der GdW-Jahresstatistik erfolgt eine Befragung von Städten und Gemeinden sowie ausgewählter Wohnungsunternehmen. In dieser Befragung sollen neben Informationen zur Bestandsaufnahme und zur Ab-schätzung des Investitionsbedarfs auch Einschätzungen der Verwaltung zu den städtebaulichen Rahmenbedin-gungen, zu den Entwicklungszielen der Stadt, aber auch zur Eigentümerstruktur und deren Investitionsverhalten, zu Entwicklungshemmnissen und Potenzialen erhoben werden. Innerhalb der Handlungsansätze zur (städte-) baulichen Weiterentwicklung von großen Wohnsiedlungen geht es auch um die Frage, welchen quantitativen und qualitativen Beitrag der ergänzende Wohnungsneubau und der Ersatzwohnungsbau zur Lösung der dargestellten Probleme leisten können. Die quantitativen Untersuchungen werden durch vertiefende Fallstudien flankiert.
Projektpartner
Auftraggeber der Studie sind der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V. (HDB), der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. (GdW) und Bundesverband Baustoffe - Steine und Erden e.V. (BBS) und das das Kompetenzzentrum Großsiedlungen. Als Auftragnehmer kooperieren das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) und das Kompetenzzentrum Großsiedlungen. Diese Zusammenarbeit spiegelt die Intention im Rahmen der Studie eine ganzheitliche Sichtweise auf die Zukunftsperspektiven der großen Wohnsiedlungen – sowohl aus Sicht der Wohnungswirtschaft als auch der Kommunen – zu erarbeiten wider. Die Studie wird von September 2013 bis Juni 2014 erarbeitet.
Publikation:
https://difu.de/publikationen/2015/perspektiven-grosser-wohnsiedlungen.html