Foto: Reihe roter Leihfarräder auf einem Bürgersteig
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Mobilitätskonzepte: Technischer Hype versus Praxistauglichkeit

Die im Difu-Seminar geführte Diskussion über Erfahrungen mit neuen Mobilitätskonzepten in wachsenden Städten führte umgehend zur intensiven Erörterung des Reizthemas Pkw-Stellplätze.  

Der Bevölkerungszuwachs in vielen deutschen Großstädten führt zur Verdichtung und zu neuen Stadterweiterungen. Verbunden mit der weiter wachsenden Motorisierung kommt das Verkehrssystem damit an seine Grenzen. Die Verkehrswende wird gefordert, doch ist davon in den gerade veröffentlichten Zahlen der Umfrage „Mobilität in Deutschland 2017“ noch nichts zu erkennen. Neue Mobilitätsangebote wie Car- und Bikesharing boomen, fristen allerdings – bezogen auf die gesamte Verkehrsleistung – noch ein Nischendasein.

Bieten vielleicht neue Stadtquartiere die Chance, in der Umbruchsituation eines Umzugs andere Mobilitätsroutinen zu ermöglichen, neue Mobilitätsangebote auszuprobieren und den privaten Pkw-Besitz deutlich zu reduzieren? Dieser und weiteren Fragen gingen Teilnehmende eines Difu-Seminars im Juni in Berlin nach. Diskutiert wurden dabei u.a. aktuelle Erfahrungen mit neuen Mobilitätskonzepten in verschiedenen Stadtquartieren, wie in Darmstadt-Lincoln, München-Domagkpark oder Zürich-Kalkbreite.

Ein wohnungsnaher Stellplatz ist eine wesentliche Determinante für die Attraktivität des privaten Pkw. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass die Stellplatz-Thematik im Seminar breiten Raum einnahm. In innovativen Mobilitätskonzepten wird die Anzahl von Pkw-Stellplätzen reduziert und eine Trennung von der Wohnung nicht nur räumlich, sondern auch bei den Kosten vorgenommen. Man erhält einen Stellplatz nicht mehr automatisch mit der Anmietung oder dem Kauf einer Wohnung, sondern Pkw-Besitzer müssen diesen zusätzlich erwerben bzw. mieten. Stellplätze sind ein wesentlicher Kostenfaktor im Wohnungsbau, und bei Tiefgaragen sind diese im wahrsten Sinne des Wortes versunken, weil es für Tiefgaragen kaum alternative Nutzungsmöglichkeiten gibt.

Die in Deutschland bisher übliche starre Zuordnung von Stellplätzen zu Wohnungen zeigt deutliche Schwachpunkte, wenn der Stellplatzbedarf über einen längeren Zeitraum betrachtet wird. Mit dem Lebenszyklus einer Familie gehen typischerweise Unterschiede beim Pkw-Besitz einher: Sobald Kinder im Haus sind, wird beispielsweise ein Pkw erstmals angeschafft, wenn beide Elternteile arbeiten, könnten je nach der Lage der Arbeitsplätze zwei Pkw notwendig werden und nach dem Auszug der Kinder und im Ruhestand gibt es möglicherweise wieder keinen Pkw im Haushalt. Die „richtige“ Stellplatzzahl für jede Wohnung ist somit nicht leicht zu bestimmen, weshalb flexible Lösungen, wie sie beispielsweise Quartiersgaragen bieten können, in den Fokus rücken. Ausgelotet werden sollte darüber hinaus, inwieweit im Tagesverlauf Doppelnutzungen von Stellplätzen für den gewerblichen und privaten Gebrauch realisiert werden könnten.

Ein besonderes Augenmerk erfordern Stellplätze auf privatem Grund, weil diese – sind sie einmal errichtet – einer kommunalen Steuerung weitgehend entzogen sind. In diesem Zusammenhang wurde im Seminar diskutiert, ob Stellplätze – analog zur Wasserver- und Abwasserentsorgung – generell als öffentliche Aufgabe eingeordnet und durch die Kommune bewirtschaftet werden sollten.

Die Diskussion über Stellplätze und Stellplatzkonzepte entwickelte sich schnell zum roten Faden in dem Seminar, da sie der Schlüssel nicht nur für Mobilitätslösungen, sondern auch für die Straßenraumgestaltung insgesamt sind. Nicht zuletzt eröffnet eine verringerte Anzahl von Stellplätzen Raum für andere Nutzungen wie Aufenthalt, Radfahren und Zufußgehen.

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