Planerische Vorsorge für Ausgleich und Ersatz in Bauleitplänen

Ergebnisse eines im Auftrag des Umweltbundesamtes bearbeiteten Forschungsvorhabens

Ergebnisse eines im Auftrag des Umweltbundesamtes bearbeiteten Forschungsvorhabens

Ziel des Forschungsvorhabens "Planerische Vorsorge für Ausgleich und Ersatz in Bauleitplänen" war es, die Auswirkungen der Neuregelung der §§ 8a - 8c BNatSchG auf die kommunale Planungspraxis abzuschätzen und Vorschläge zur Verbesserung der Umsetzungsmöglichkeiten in die Planungspraxis zu entwickeln. Anhand untersuchter Fallbeispiele in verschiedenen Bundesländern sollten Problemstrukturen der Neuregelung aufgezeigt und sachgerechte Lösungsvorschläge für Regelsituationen dargestellt werden. Insgesamt wurden in die Untersuchung 33 Fallbeispiele aus 20 Städten und Gemeinden und zwölf Bundesländern einbezogen (siehe Übersicht 1).

Im Mittelpunkt des Forschungsvorhabens stand der Umgang mit der Neuregelung in der verbindlichen Bauleitplanung. Darüber hinaus wurden auch Fallbeispiele der vorbereitenden Bauleitplanung analysiert sowie die Ebene der Umsetzung und Sicherung der Kompensationsmaßnahmen mit einbezogen.

Vorbereitende Bauleitplanung

Die Untersuchung machte deutlich, daß die Neuregelung keine Trendwende beim Flächenverbrauch bewirkt hat. Nach wie vor werden Freiflächen in großem Umfang in Bauflächen umgewandelt. Der Konflikt zwischen einem adäquaten Siedlungswachstum und dem Schutz von Natur und Landschaft wird durch die Neuregelung nicht gelöst. Gleichzeitig wird sichtbar, daß Natur und Landschaft nicht mehr nur als potentielle Bauflächen, sondern in zunehmendem Maße auch als Kompensationsflächen in Betracht gezogen werden. Allein die Tatsache, daß sich korrelativ zur Ausweisung neuer Siedlungsflächen der Kompensationsbedarf erhöht, führt teilweise zu einer verhalteneren Bauflächenausweisung. Folgende Einzelergebnisse und -empfehlungen sind hervorzuheben:

  • Vor allem in Mittel- und Großstädten werden in den Flächennutzungsplänen umfangreiche Kompensationsflächen außerhalb der Baugebiete dargestellt, da davon ausgegangen wird, daß eine vollständige Kompensation in den Baugebieten nicht möglich sein wird. Vereinzelt werden hierfür sogenannte Flächenpools gebildet.
  • Die Erfassung und Bewertung der Eingriffe erfolgt fast immer auf Grundlage eines parallel zum Flächennutzungsplan bearbeiteten Landschaftsplans. Die Eingriffsintensität und der Kompensationsumfang lassen sich aufgrund der noch wenig präzisen Angaben zu den Eingriffen auf dieser Planungsebene jedoch nur vergleichsweise ungenau abschätzen. Bewertungsgrundlage sollte daher ein pauschaler Maßstab sein, der sich an den üblichen Bebauungsformen und -dich-ten der jeweiligen Gemeinde orientiert, und nicht das konkrete Vorhaben.
  • Um die Flexibilität der verbindlichen Bauleitplanung zu erhöhen und vor allem um möglicher Bodenspekulation vorzubeugen, erscheint es notwendig, im Flächennutzungsplan über das bilanzierte Mindestmaß hinausgehend zusätzliche Kompensationsflächen darzustellen.
  • Eine Zuordnung von Eingriffsflächen zu Kompensationsflächen wird auf der Ebene der Flächennutzungsplanung nicht für sinnvoll gehalten. Der genaue Kompensationsbedarf kann zu diesem Zeitpunkt meist noch nicht hinreichend abgeschätzt werden; und eine vorzeitige Zuordnung erschwert die spätere Verfügbarkeit der Flächen (aufgrund der entstehenden Preiserwartungen der Grundstückseigentümer).
  • Da die Bewältigung der Eingriffsregelung eine intensive Auseinandersetzung mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege erfordert, sollte zur Abstimmung zwischen Flächennutzungs- und Landschaftsplanung frühzeitig eine innerbehördliche bereichsübergreifende Arbeitsgruppe gebildet werden.

Verbindliche Bauleitplanung

Für die im Mittelpunkt der Untersuchung stehende verbindliche Bauleitplanung sind folgende Einzelergebnisse und -empfehlungen von besonderer Bedeutung:

  • Um Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu vermeiden, kann eine Überprüfung des (durch die vorbereitende Bauleitplanung oder sonstige übergeordnete Planungen) ermittelten Bedarfs und festgelegten Standorts im Rahmen der verbindlichen Bauleitplanung unter bestimmten Umständen sinnvoll sein: beispielsweise wenn übergeordnete Planungen nicht vorliegen, veraltet sind oder aber wenn umfangreiche Eingriffe in besonders wertvolle Natur- und Landschaftsräume beabsichtigt sind.
  • Hinsichtlich der Standortwahl verbleibt bei der Bebauungsplanung in jedem Falle die Möglichkeit (insbesondere unter der verstärkten Berücksichtigung des Vermeidungsaspekts), bei mehreren zur Auswahl stehenden Bauflächen ökologische Prioritäten bezüglich deren Inanspruchnahme zu setzen sowie den detailgenauen Standort des Eingriffs natur- und landschaftsschonend zu bestimmen.
  • Die Festsetzung von Kompensationsflächen außerhalb der Bauflächen, sei es innerhalb eines erweiterten oder außerhalb des Plangebiets, kann sowohl aus Gründen des Naturschutzes als auch aus städtebaulichen Gründen von Vorteil sein. Generell sollte die Auswahl der Kompensationsflächen auf der Grundlage landschaftsplanerischer Untersuchungen erfolgen, deren Ergebnisse mit den stadtplanerischen Zielvorstellungen abzustimmen sind.
  • Die Erfassung und Bewertung des Eingriffs erfolgt überwiegend durch einen parallel zum Bebauungsplan erstellten Landschafts- bzw. Grünordnungsplan. Dabei kommen zahlreiche Bewertungsverfahren zum Einsatz. Aufgrund der uneinheitlichen Grundlagen und Kriterien für die Erfassung und Bewertung kann es je nach angewendetem Verfahren in ähnlichen Planungssituationen zu erheblichen Unterschieden beim ermittelten erforderlichen Kompensationsumfang kommen, so daß eine Gleichbehandlung der einzelnen Verursacher nicht gewährleistet ist. Daher erscheint es ratsam, auf Landesebene einheitliche Eckpunkte für die Erfassung und Bewertung durch eine Richtlinie festzulegen, die sich unter anderem beziehen sollten auf:
    • die zugrundezulegende Ausgangsbasis für die Erfassung des Eingriffs,
    • die zu berücksichtigenden Auswirkungen des Eingriffs,
    • die Berücksichtigung der Entwicklungszeit von Kompensationsmaßnahmen.
  • Der häufig anzutreffende Anspruch der Gemeinde, eine Vollkompensation festzusetzen, ist oftmals aufgrund der mangelnden Verfügbarkeit von Kompensationsflächen nicht realisierbar. Ausgangspunkt für die Abwägung sollte jedoch grundsätzlich das Erfordernis der Vollkompensation sein und die Abwägungsentscheidung in der Begründung ihren Niederschlag finden. Beabsichtigt die Gemeinde eine Vollkompensation, so sollte sie dies stets als Ergebnis einer bewußten Abwägungsentscheidung kennzeichnen.
  • Für die Festschreibung der erforderlichen Kompensation werden in der Praxis fast immer zeichnerische mit textlichen Festsetzungen verbunden. Die zeichnerischen Festsetzungen dienen dabei in der Regel der Sicherung der Flächen, während die textlichen Festsetzungen sich meist auf die Ausgestaltung und Konkretisierung der kompensatorischen Maßnahmen beziehen. Dabei werden vor allem die Festsetzungen "Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Landschaft" (§ 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB) sowie "Anpflanzung von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen" (§ 9 Abs. 1 Nr. 25a BauGB) in der Regel nicht als isolierte, sondern als überlagernde Festsetzungen verwendet. Überwiegend wird der Festsetzungskatalog des § 9 Abs. 1 BauGB von der Praxis für ausreichend erachtet, um die für erforderlich geachtete Kompensation sachgerecht festzulegen.
  • Um dem durch die Neuregelung entstandenen erhöhten Abstimmungsbedarf gerecht zu werden, ist eine möglichst frühzeitige Beteiligung der betroffenen Ämter (Grünflächenamt, Umweltamt, Naturschutzbehörde, Liegenschaftsamt, Bauaufsichtsbehörde und andere) erforderlich.

Umsetzung und Sicherung

Die Umsetzung und Sicherung der in der Bebauungsplanung festgesetzten Kompensationsmaßnahmen ist ein in der Fachdiskussion über § 8a BNatSchG bislang vergleichsweise noch wenig beachtetes Thema.

Die Bereitstellung der Kompensationsflächen außerhalb der Baugrundstücke ist hierbei in der kommunalen Praxis bislang eines der größten Probleme der Neuregelung. In aller Regel erfolgt ein freihändiger Erwerb der Flächen im Einzelfall. Als vorausschauende Strategie zum Flächenerwerb scheint eine kommunale Bodenbevorratungspolitik, verknüpft mit der Bildung eines an ökologischen Kriterien ausgerichteten Flächenpools, geeignet. Die Umlegung ist für die Bereitstellung von Kompensationsflächen unter den bestehenden Rahmenbedingungen - eingeschränkte Vorwegausscheidungsmöglichkeit der Kompensationsflächen, hohe Einwurfswerte für Kompensationsflächen- nur sehr bedingt tauglich.

Ferner ist die Realisierung von Kompensationsmaßnahmen im sonstigen Geltungsbereich sowie außerhalb des Gebiets des Bebauungsplans mit zahlreichen Problemen verbunden. Bei Maßnahmen im sonstigen Geltungsbereich bereitet vor allem die Refinanzierung mittels einer Satzung nach § 8a Abs. 5 BNatSchG Schwierigkeiten. So treten in der Regel erhebliche Abgrenzungsprobleme zum Erschließungsbeitragsrecht auf (siehe Übersicht 2).

Für Maßnahmen außerhalb des Plangebiets bietet die Regelung des § 8a BNatSchG keine Grundlage für eine Refinanzierung der Durchführung, so daß eine kostenmäßige Zuordnung nur mittels Abschluß eines städtebaulichen Vertrags möglich ist.

Die Sicherungsmöglichkeiten zum Vollzug von Kompensationsmaßnahmen variieren, je nachdem, ob ein privater Verursacher oder die Gemeinde für den Kompensationsvollzug zuständig sind. Während im ersten Fall einige Sicherungsmittel in Betracht kommen (zum Beispiel Aufnahme von Nebenbestimmungen in die Baugenehmigung, Erlaß von Pflanzgeboten, Vereinbarung von Sicherheitsleistungen, Abschluß eines öffentlich-rechtlichen Vertrags) bestehen, soweit die Gemeinde für den Vollzug der Kompensation zuständig ist, nur geringe Sicherungsmöglichkeiten.

Die dauerhafte Pflege und langfristige Sicherung der Kompensationsflächen stellt ein wesentliches, bislang aber noch wenig erörtertes Problem bei der Umsetzung der Neuregelung dar. Neben der Aufnahme diesbezüglicher Nebenbestimmungen in die Baugenehmigung kommen hierbei der Eintragung dinglicher Nutzungsrechte in Form von beschränkt persönlichen Dienstbarkeiten, Reallasten und öffentlichen Baulasten besondere Bedeutung zu. Eine Entlastung in personeller aber auch in finanzieller Hinsicht kann die Gemeinde durch eine Einbindung privater Dritter in die Pflege von Kompensationsflächen erfahren.

Für die Umsetzung und Sicherung von Kompensationsmaßnahmen insgesamt kommt dem Instrument des städtebaulichen Vertrags in Form des Folgekostenvertrags eine wichtige Bedeutung zu.

Alternativen zur Regelung des § 8a BNatSchG

Gegenwärtig sind vor allem zwei Alternativvorschläge zur Regelung des § 8a BNatSchG in der Diskussion:

  • die Integration der Eingriffsregelung ins Baugesetzbuch und
  • die Einführung einer Versiegelungsabgabe.

Im Ergebnis werden in der Untersuchung für eine Übernahme der Eingriffsregelung in das Baugesetzbuch weder eine rechtliche Notwendigkeit noch ein praktisches Bedürfnis gesehen. Auch die Einführung einer Versiegelungsabgabe wird eher skeptisch beurteilt.

Vorschläge für die Kommunal-, Landes- und Bundesebene

Zur Verbesserung der kommunalen Praxis wird die Einführung folgender Instrumente empfohlen:

  • Flächenpool,
  • Ökokonto,
  • Kompensationsflächenkataster,
  • Flächenverbrauchsberichte.

Auf Landesebene wird es vor allem für notwendig erachtet,

  • die Inhalte der örtlichen Landschaftsplanung im Hinblick auf die sich aus der Neuregelung ergebenden Anforderungen zu überprüfen und in den Landesnaturschutzgesetzen bzw. Landeserlassen zu konkretisieren,
  • die Bewertungsmethoden im Rahmen der Bauleitplanung abzustimmen und in Richtlinien einheitliche Eckpunkte für die Bewertung festzulegen sowie
  • landesrechtlich oder per Erlaß das Ökokonto und das Kompensationsflächenkataster einzuführen.

Klarstellungs- und Ergänzungsbedarf aus Bundesebene wird insbesondere gesehen in bezug auf

  • die ausdrückliche Zulassung des Bebauungsplans mit getrennten Geltungsbereichen und der Refinanzierbarkeit der Kompensationsmaßnahmen in diesem Zusammenhang,
  • die Deklarierung von Kompensationsflächen als vorwegausscheidungsfähige Flächen,
  • Einführung eines eigenen Typus "Bauvoraussetzungsland" für Kompensationsflächen zur Wertermittlung,
  • die Harmonisierung der Eingriffsregelung mit anderen geltenden und zu erwartenden umweltschützenden Bestimmungen und Verfahren.

In der Veröffentlichung des Hauptberichts werden die ausführlichen Darstellungen der empirischen Untersuchungsergebnisse und der Empfehlungen und Vorschläge durch einen kurzen Überblick über die Vorgeschichte und den Inhalt der Neuregelung sowie eine Erläuterung der Bedeutung der örtlichen Landschaftsplanung in bezug auf die Eingriffsregelung in der Bauleitplanung abgerundet.

Parallel zum Hauptbericht, der in den "Difu-Beiträgen zur Stadtforschung" erscheint, sind die ausführlichen Fallstudienergebnisse in der Materialienreihe des Difu veröffentlicht.